Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1915

146 Das alte „Kripperl' in Stepr. (Von Prof. 6. boldbacher.) Eintrittspreis betrug einen „Batzen“ Fast wäre uns dieses liebe, kleine (das ehemalige Vierkreuzerstück) und Theater, diese lebendige Erinnerungs¬ wurde bei der letzten Vorstellung wo zeichen aus unserer Jugend für immer „Nebelbilder“ vorgeführt wurden, etwas aus unserer Vaterstadt entschwunden, erhöht, auch die ersten Sitzreihen in den auf Nimmerwiedersehen. Mag es auch schmalen Bänken waren etwas teurer. manchem, der dieses unscheinbare Theater Den kirchlichen Festen entsprechend wur¬ sieht, unbegreiflich erscheinen, sich für den die Vorstellungen um Nikolaus, dessen Erhaltung einzusetzen, so verstehen Weihnachten und Dreikönig abgeändert. doch alle jene Steyrer, welche in ihrer Auf dem Bühnenvorhang ist eine neapoli¬ Jugend das „Kripperl“ besuchten, wes¬ tanische Landschaft gemalt, der Mittel¬ halb dieser, sozusagen kulturhistorische punkt der Bühne wird von der Weih¬ Gegenstand, nicht aus den Mauern un¬ nachtskrippe gebildet, das Bühnenbild serer Stadt verschwinden darf, weil er zerfällt in eine obere und untere Stadt, eben ein wertvolles Stück ihrer Jugend in der ersteren sind zwei doppelflüglige hat Der Verein „Heimatschutz ist. Stadttore ersichtlich. In der Oberstadt keine Mühen und Kosten gescheut, um befinden sich verschiedene Gasthäuser, das das Kripperl anzukaufen; die vielen, alten, Haus des „Baders“, die „Lotterie“ und oft künstlerisch geschnitzten Figuren wer¬ 7 andere. In der „Unterstadt“ kann man den von kundiger Hand in ihrem alten einen Blick in die Werkstätten der ver¬ Glanze wiedererstehen, das Bühnenbild schiedensten Handwerker tun, hier be¬ wird neu hergerichtet und hoffentlich finden sich auch das Bergwerk und die findet sich wieder ein stimmungsvoller Pilotenschlägel. Bemerkenswert ist eine Raum,“) wo zur Freude unserer Kinder kleinere Bühne, welche sich im Hinter¬ und vielleicht auch mancher Erwachsener grund der großen befindet und zur Dar¬ das alte Spiel wieder eine begehrte stellung einzelner Szenerien zu bestimmten Freude der langen Herbst= und Winter¬ Zeiten dient. Die Figuren sind auf nachmittage werden soll. Wie in alten chmalen Brettchen angebracht und wer¬ Zeiten soll wieder an Sonn= und Feier¬ Ein den auf Leisten „durchgezogen“ tagen von Allerheiligen bis Maria Licht¬ „Ariston“ erzeugt mit seinen wehmütigen meß gespielt werden. Das Alter des Weisen die nötige Stimmung und mit „Kripperl“ kann nicht genau festgestellt Spannung wird das Glockenzeichen er¬ werden, es dürfte wohl hundert Jahre wartet. Der Vorhang bewegt sich etwas überschreiten. Die Figuren rühren nach mühsam in die Höhe, es erscheint der sicheren Mitteilungen aus drei verschie¬ Nachtwächter mit Horn und Hellebarde denen Krippentheatern her, von denen und singt das uralte Lied: zwei in Steyr und eines in Sierning aufgestellt waren. Lange Zeit befand Meine Herren und Damen, laßt euch sag'n, sich das „Kripperl“ in dem sogenannten Der Hammer, der hat zwölfe g'schlag'n, Gebt's fein acht auf Feuer und Liacht, „Pfarrhöfl“, später beim „Frisch“ in Daß heut' Nacht kein Unglück g'schiacht! Ennsdorf und in den letzten Jahren in Hat zwölfe g'schlag'n! Mitters Gasthof „Zur goldenen Sense“ Und nun beginnen die mechanisch in der Sierningerstraße. Im vergan¬ beweglichen Figuren der Handwerker zu genen Winter wurde zum ersten= und dieser ungewöhnlichen Stunde eine em¬ hoffentlich letztenmale wegen anderweitiger sige Tätigkeit und stimmen dazu ihre Benützung der Räume nicht gespielt. naiven Lieder an, deren Alter und Ver¬ Die Vorstellungen fanden allstündlich fasser unbekannt sind. zwischen 2 und 5 Uhr statt, der niedrigste *) Im heurigen Winter wird im Kimbacherschen Gartensaal gespielt.

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