Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1915

Unter begeistertem Jubel der Bevöl¬ rung der ganzen Stadt marschierte das Jägerbataillon heute zum Bahnhofe. Mit wehenden Fahnen waren die Häuser der Straßen geschmückt, die das Ba¬ taillon passierte, und stürmische Hoch rufe begleiteten unsere wackeren Jäger auf dem Wege zum Bahnhof. Der Abschied vom Bahnhof war ein schö¬ nes Zeichen der allgemeinen Beliebt¬ heit, deren sich unser Jägerbataillon bei der ganzen Bevölkerung erfreut und es kann überzeugt sein, daß es die heiße sten Segenswünsche der ganzen Bevölke¬ rung auf ein freudiges Widersehen be¬ gleitet. Unter Vorantritt der Musikkapelle des k. k. unif. bewaffn. Bürgerkorps langte das Bataillon, nachdem es die Stadt durchmarschiert hatte, im Bahnhof an, wo sich zum Abschied Herr Bürgermei¬ Julius Landtagsabgeordneter ter, Eschaider, Herr Vizebürgermeister Paul Fendt, mehrere Herren Gemeinderäte und Herr Bezirkshauptmann Dr. Ru¬ dolf Edler v. Kölbl eingefunden hat¬ ten. Dicht besetzt war der Bahnhof, die hervorragendsten Persönlichkeiten der Stadt waren anwesend, man sah die „Steyrer Herren: Ehrenvorstand der Liedertafel“ Dr. Franz Angermann, Reichsratsabgeordneter Prof. Leopold Erb, Primarius Sanitätsrat Dr. Vik¬ tor Klotz, der Obmann des Zweig¬ vereines Steyr des Landes=Hilfsver¬ eines vom „Roten Kreuz“, Altbürger¬ meister Franz Lang, der Kommandant des k. k. unif. bew. Bürgerkorps, Ma¬ jor Ortler, mit den Offizieren des Regierungsrat, Fachschuldirek¬ Korps, tor Rudolf Pawlicka, Kreisgerichtspräsi¬ dent Dr. Theodor Ritter von Pittner Kaiserl. Rat, Fabrikant Josef Reithof¬ Alois er, Vorstadtpfarrer Hochw. 45 Stadtpfarrer Kanoni¬ Schließeleder, kus Joh. Ev. Strobl, Ehrenvorstand des M.=G.=V. „Kränzchen“, Dr. Her¬ mann Spaengler, Rabbiner ders israel. Kultusgemeinde Heinrich Schön, Bank¬ direktor Adolf Ullrich, der Komman¬ dant der freiw. städt. Feuerwehr, Franz Vogt, Oberingenieur der Oesterr. Waf¬ fenfgbrik Alois Zwicker, und sehr viele Damen. Ueber Anregung der Frau Bürgermeister Erna Gschaider hat sich ein Komitee gebildet, das eine große Sammlung zur Beteilung der ns Feld ziehenden Soldaten, resp. deren Zurückgebliebenen, veranstaltete. Als nun das Militär einwaggoniert war Jeder trat das Komitee in Aktion. 235 Mann wurde mit Speck, Brot, Ka¬ Kar¬ kao und Schokolade und einem 137 ton mit 10 Zigaretten beteilt. dann wurde die Mannschaft mit Bier bewir¬ tet. Außerdem wurden dem Herrn Proviantoffizier für jeden Mann extra 20 Zigaretten übergeben, sodaß insge¬ samt 11.400 Zigaretten zur Verteilung gelangten. Trotz des strömenden Re¬ gens, der inzwischen eingesetzthatte, harrte das Publikum, das den Bahn¬ hof dicht besetzt hatte, aus, die Mu¬ ikkapelle spielte flotte Märsche und die Hurrahrufe und Ehrungen für das Ba¬ taillon wollten kein Ende nehmen. Mit einem wahren Blumenregen, der sich aus allen Gärten der Stadt zusam¬ mengesetzt hatte, wurden die scheidenden Jäger überschüttet. Kurz vor Abgang des Zuges nahm das Bataillon vor den Waggons Aufstellung undHerr Bürgermeister Julius 6schaider hielt vor dem versammelten Offizierskorps folgende Ansprache: „Hochverehrter Herr Oberstleutnant, meine Herren Offiziere, Feldjäger! Als vor über zwei Jahren an dieser Stelle wir das 30. Feld¬ jägerbataillon in Steyr willkommen hie¬ ßen, ahnte niemand die ungeheuren Er¬ eignisse, die heute den Anlaß zum Ab¬ schied geben. Von allen Seiten dräut der Feind. Man will Deutschland und Oesterreich=Ungarn den Platz an der Sonne nicht gönnen. Die Bestrafung eines Mörderstaates haben andere zum Vorwand genommen, um ein ungeheu¬ res Unrecht zu begehen. In diesen ern¬ sten Stunden blickt die Bevölkerung auf die Armee, die in altösterreichischer und altpreußischer Tapferkeit dem Feind die Stirn bieten und wie wir alle hof¬ fen, ihn auch besiegen wird. Dem 30. Jägerbataillon wünsche ich zum Abschied. es möge die gleiche Tapferkeit entfal¬ ten, wie damals im heiß umstrittenen Swiepwald, doch nicht in siegloser, son¬ dern siegreicher Schlacht. Mögen alle ihren Mann stellen und gesund wieder hieher zurückkehren. Die heißenSe¬ genswünsche der Bevölkerung begleiten Sie. In dieser Stunde richten sich alle Blicke auf unseren erhabenen Kaiser, dem es nicht erspart blieb, in sei¬ nem Greisenalter das Schwert zur Ver¬ teidigung seines Rechtes ziehen zu müs¬ sen. Se. Majestät, der Kaiser, er lebe hoch.“ Die Musikkapelle intonierte die Volkshymne und brausend erklangen die begeisterten Hochrufe auf Seine Maje¬ stät von den gesamten Anwesenden. Es nahm sodann Herr Bezirkshauptmann Dr. R. v. Kölbl das Wort. Im Na¬ men des Bezirkes von Steyr, führte 125 Herr Bezirkshauptmann aus, sage ich Ihnen ein herzliches und inniges Lebe¬

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