Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1915

dicke Schnee= oder vielmehr Eisdecke, welche seit 23. November die Erde be¬ deckte, beginnt sich zu heben. Doch am traurigsten sieht es mit dem Winter¬ getreide aus, denn die große Schnee¬ masse, welche seit vier Monaten un¬ unterbrochen auf den ungefrorenen Fel¬ dern lag, hat dasselbe dermaßen ver¬ wüstet, daß vom Weizen fast gar nichts zu sehen ist, so wie wenn gar kei¬ ner angebaut wäre, und die Kornfelder nur mit einer gelben Haut überdeckt sind und kein grüner Halm das Auge erfreut. Am 22. April wurde mit der Ab¬ brechung des alten und noch immer schönen Hochaltars in der Stadt¬ pfarrkirche angefangen und derselbe einst weilen auf den Kirchenboden gestellt. Die Steyrer Sparkasse wurde am 26. März im städtischen Rathause im ehemaligen Depositenamte eröff¬ net und bis zum letzten April, also etwas mehr als einen Monat, waren schon von 222 Einlegern 24.234fl. 44 kr. K.=M. eingeflossen und auch zum größten Teile bereits fruchtbringend ge¬ macht worden. Mit Ende des Mai wurden in der Stadtpfarrkirche, nachdemder Hochaltar abgebrochen war, die ur¬ sprünglich bestandenen, aber seit 200 Jahren vermauert gewesenen 3 Fenster im Presbyterium ausgebrochen und er¬ halten gemalte Gläser aus München, wovon ein Fenster auf 500 fl. ver¬ anschlagt ist. Die gemauerte, und mit einer gro¬ ßen Marmortafel bedeckt gewesene Mensa wurde ebenfalls abgebrochen und für den neuen Altar um 7 Schuh wei¬ ter zurückversetzt. Nachdem dieses geschehen war, über¬ zeugte man sich, daß auch die beiden vorderen Seitenaltäre nach verschiede¬ nen Baustilen, und die hinter densel¬ ben ebenfalls vermauerten Fenster nicht mehr belassen werden können. Diese Altäre wurden daher eben¬ falls abgebrochen und die vier Fenster 75 geöffnet. Der Seitenaltar rechts, so¬ genannte Apostelaltar mit sehr schö¬ nen Schnitzwerken, war vom gewesenen Bürgermeister Cosmos Mann von Mansperg anno 1642 erbaut und gestif¬ tet und der minderschöne Frauen¬ oder sogenannte Speisaltar, links von Christoph Jäntschy, gewesenen In¬ nerbergischen Hauptgewerkschafts=Ober¬ vorgeher anno 1637. Alle drei Altäre wurden teils im Kirchenboden, teils im Stadtpfarr=Meierhof untergebracht. Die wochen¬ und feiertäglichen Haup tgottesdienste wurden einst¬ weilen in der Dominikanerkirche, die stil¬ len Messen in der Margarethenkapelle gehalten. Der am 27. Jänner begonnene Bau des Steindammes an der Enns vom Dominikanergebäude bis zum Rat¬ hause wurde auch mit dem Schlusse des Monats Mai beendet. Er kostete dem ärarischen Wasserhaufonde über 6000 fl. Nachdem in den Zeitungen die, wie¬ wohl noch unverbürgte Nachricht stand, daß bei dem hohen k. k. Ministerium die Abschließung eines Pachtver¬ trages mit einer ausländischen Ka¬ pitalisten=Gesellschaft im Werke sei, wo¬ durch derselben die k. k. Hauptgewerk¬ schaftlichen Hammerwerke: Reichraming, Weyer, Hollenstein und Kleinreifling auf 80 Jahre zum Betriebe überlassen wer¬ den sollen, und die Hauptgewerkschaft verschiedene Rechtsverbindlichkeiten geger die Stadt Steyr zu erfüllen hat, sc reisten zur Wahrung der städtischen Rechte am 25. Mai der Bürgermeister, der Sekretär Aichinger und der Ge¬ meinderat und Feilschmiedmeister Matth. Lechner nach Wien zum Ministerium, wo sie erfuhren, daß wohl die verbrief¬ ten Rechte der Stadt durch die Pach¬ tung keine Gefahr laufen werde. Al¬ lein bezüglich der Erzeugung und des Verschleißes der Pachtgesellschaft, an deren Spitze das Wiener Bankhaus Lind¬ heim steht, keine Beschränkung aufer¬ legt werden kann. Und es kam auch wirklich schon im Juni von der k. k.

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