Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1915

74 ben die Tischmesser=Erzeugung noch am meisten mit der Zeit fortgeschritten, während die übrigen Manufakturen nur noch fortvegetieren. Wir stehen daher jetzt, wo der Staat das Prohibitiv¬ Zollsystem aufgegeben hat und die schönsten, englischen, belgischen und deut¬ schen Erzeugnisse einströmen, auf einem entscheidenden Wendepunkte für die Zu¬ kunft. 1357. Glück auf!!! — Ja Glück braucht jetzt unsere alte, entschieden im Rück¬ schritte begriffene Kommerzialstadt, um noch zeitig genug stille zu stehen und dann den Wettlauf mit der ausländi¬ chen Konkurrenz zu beginnen, der sie aber mit ihren alleinigen eigenen Kräf¬ ten voraussichtlich nicht gewachsen sein wird. Nachdem die Errichtung eines stei¬ nernen Kais an der Enns längs der ganzen Stadt, von der Neubrücke bis zur unteren Ennsbrücke, auf Kosten des ärarischen Wasserbaufondes hohen Orts bewilligt ist, und der Teil von der Dominikanerkirche bis zum Rathause 0 schon heuer gebaut werden soll, wurde am 3. Jänner im Rathaussaale eine kreisämtliche Kommission wegen gleichzeitiger Demolierung der al¬ ten massiven Stadtringmauer, die am Ennsflusse die Dominikanerkirche und das Rathaus verbindet und innerhalb eine sehr schmutzige Gasse — die Sau¬ gasse — bildet, abgehalten, wobei eine heftige Opposition mehrerer an diese auf¬ Gasse grenzender Hausbesitzer tauchte, weche die Wassergefahr für ihre Häuser vorschützten, aber in Wahrheit nur ihre hier befindlichen Holzhütten und Miststätten nicht verlieren wollen. Diese Stadtmauer wurde nach der großen Ueberschwemmung im Jahre 1572 meist aus Steinquadern erbaut, ist 18 Fuß hoch, 4 Meter dick und läuft auch unterhalb des Rathauses bis zum mas¬ iven Turm an der unteren Ennsbrücke hinab, welcher Teil aber erst später abgebrochen werden soll, wenn auch dieser Teil des Kais gebaut wird. In der ganzen Saugasse von der Domini¬ kanerkirche bis zum unteren Ennsbrücken¬ turm befinden sich in der Stadtmauer 8 Ausgangstore und an derselben 20 hölzerne Holzhütten und 22 Miststätten auf der inneren Seite, Herr Leopold Degenfellner, bürgerl. Schlossermeister, hat den ersten Teil des Kaibaues über¬ nommen. Die Stadt überläßt ihm hiezu unentgeltlich diesen Teil der Stadt¬ mauer, wogegen er sich verpflichtet, die Straße vom Kai bis zu den Häusern auf seine Kosten zu ebnen und zu pfla¬ stern. Am 12. Jänner wurde schon mit der Demolierung der Mauer begonnen und am 27. Jänner mit dem Kaibaue durch Zuführung des Erdmateriales vom Ufer in der Schönau. Am 20. Jänner fand in der Vogl¬ wiese an der Steyr, unterhalb des Galgenhölzchens, ein von den Bürgern der Vorstadt Aichet veranstaltetes Schlittenrennen statt, wobei sich 14 Renner beteiligten und bei dem schö¬ nen Wintertage eine große Volksmenge zusah. Der Ertrag belief sich auf 160 fl. K.=M. und wurde ganz dem Spi¬ tale der barmherzigen Schwestern ge¬ widmet. Im Februar wird auch der, von der Spitalmühle längs der Vorstadt Ort bis zum Hause. Nr. 45 hinab an der Enns, seit drei Jahren bestehende stei¬ nerne Kai, nun auf Kosten des ärari¬ schen Wasserbaufondes, weiter hinab bis zum Schlüsselhofbinderhäusel=Fahrtwege verlängert. Der marmorierte und teilweise ver¬ goldete Hochaltar der St. Mi¬ chaelskirche wurde mit einem Ko¬ tenbetrage von 3381 fl. im Laufe die¬ ses Winters gänzlich renoviert, ebenso der Hochaltar der Domi¬ nikanerkirche. Endlich, erst am 15. März scheint die Macht des langen, seit 5. November ununterbrochen gedauerten strengen Winters gebrochen. Die 1—2 Fuß

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