70 Dechante und 34 andere Pfarrer und Priester, alle Honoratioren, Schulkin¬ der, Armen und wenigstens 4000 Menschen aus der Stadt und Umgebung begleiteten die Leiche, welche in der Mitte des neuen, von dem Verstorbe¬ nen anno 1843 selbst eingesegneten Friedhofes begraben wurde. Es war zugleich der ersteschöne Frühlingstag. Anfangs April kreis¬ ämtliche Kommissionsaugenscheine wegen Erbauung eines neuen Schulhau¬ ses in Ennsdorf auf dem zum alten Schulhaus gehörigen Grunde an der Hauptstraße neben dem im vorigen Mo¬ nate abgebrochenen alten Torturm Nr. 304, wo eben eine bedeutende Stra¬ ßenerweiterung stattfindet; dann rück¬ wärts der Stadt in der sogenannten Saugasse, wo es sich an der Enns um Erbauung eines gepflasterten Kai und Niederbrechung der Stadtmauern handelt, mit welch letzterem aber die meisten betreffenden Hausbesitzer wegen der Wassergefahr nicht einverstanden ind. Am 22. sind der hiesige Bürger¬ meister u. drei Gemeinderäte nach Wien abgereist, um Allerhöchsten Orts zu erwirken, daß die von Wien über Linz nach Salzburg beantragte Staatseisenbahn in möglich¬ ster Nähe bei der hiesigen Fa¬ briksstadt vorübergeführt werde. Der ämtliche Wirkungskreis der städtischen Gemeindevorstehung ist jetzt (im Juni) dem k. k. Bezirksamte und der k. k. Kreisbehörde gegenüber ebenso unklar, als erniedrigend, indem die erstere, ungeachtet sie für das Be¬ zirksamt fast alles früher leisten muß, und sogar die sämtlichen bezirksämt¬ lichen Arrestanten und Schube, unge¬ achtet die bezirksämtlichen Arreste schon im vorigen Sommer von den Stadt im Er=Zölestinergebäude hergerichtet wurden, noch bis Ende April verpfle¬ gen und versorgen mußte. Die Stadt wird jetzt wie eine andere Landge¬ meinde des Bezirkes behandelt und hat mit der Kreisbehörde gar nichts zu ver¬ kehren. Das Bezirksamt besitzt die Fa¬ milienbücher und fertigt die Heimat¬ scheine und Wanderbücher aus, allein das Gemeindeamt muß hiezu Zertifikate ausstellen und über jeden Menschen alle Auskünfte erteilen, auch das Polizei¬ wesen im bezirksämtlichen Namen aus¬ üben. Am 21. Juni erschien nun plötzlich wie aus den Wolken ein kreisämt¬ liches Dekret mit einem hohen k. k. Ministerialerlasse des Inhalts: daß es unrecht war, der Stadt ihren, durch das nicht aufgehobene aller¬ höchste Gemeindestatut übertragenen ämt¬ lichen Wirkungskreis abgenommen und dem Bezirksamte übertragen zu haben, und daß die Stadt denselben allsogleich wieder übernehmen müsse, und bezüg¬ lich der politischen Geschäftsführung nicht mehr dem Bezirksamte, sondern der k. k. Kreisbehörde zu unterstehen habe. Die Konskriptionsakten usw. wanderten nun bereits zum dritten Male in das Gemeindeamt zurück, ebenso die Schub¬ und Polizeiarrestanten in die im vor¬ deren, ebenerdigen Trakte des städt. Er¬ zölestinergebäudes befindlichen und nich. abgetretenen Arreste, wodurch nun na¬ türlich die von der Stadt im hinteren Trakte für das Bezirksamt erhauten Ar¬ reste wieder zum Teile überflüssig wurden. Nachdem im Monate August die asiatische Cholera in Linz und St. Florian ziemlich heftig gewütet und mehrere hundert Opfer hingerafft hatte, wurden auch hier in Steyr, im Sep¬ tember, Vorkehrungen dagegen getrof¬ fen, nämlich im Krankenhause Lokalitä¬ ten eingerichtet, Wärmkotzen, Tragsessel usw. angeschafft, die Stadt in Armen¬ Ordinationsbezirke eingeteilt, Kranken¬ träger bestimmt usw. usw. Und wirklich ist am 4. Septem¬ ber hier der erste Cholerafall vorgekommen, nämlich der bürgerliche Feilenschmiedmeister Anton Sonnleitner
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2