Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1915

66 Am Samstag den 9. April abends kamen Jesuiten von Baumgarten¬ berg als Missionäre hier an; die Pater Josef und Maximilian Klinkow¬ ström, Smude, Nohmann. Am Sonntag den 10. begann die Mission und dauerte bis Sonntag den 24., also 14 Tage. Es wurden nämlich täglich in beiden Pfarrkirchen zugleich drei Predigten samt Gottes¬ dienst abgehalten, also im ganzen 84 Predigten, während der ganzen Zeit wurde in allen Beichtstühlen gebeichtet und am 24. nachmittags bei dem feier¬ lichen Schlusse bei jeder Kirche ein sehr großes Missionskreuz aufgestellt. Die Predigten, die um 7 Uhr früh, um 3 Uhr und 6 Uhr abends stattfanden und gewöhnlich 1½ Stunden dauerten, waren sehr schön, und der Andrang des Volkes aus weiter Umgebung un¬ geheuer. Im Monate Mai verlautete es, daß hier zwei Schulhäuser gebaut wer¬ den sollen, nämlich eine Häupt= und Realschule und eine Stadtschule in Enns¬ dorf. Am 6. und 20. Juni kamen die kriegszahlämtlichen Anwei¬ sungen zur Erhebung der Ablösungs¬ beträge für die abgenommenen städt. Kanonen mit 185 fl. 18 kr. K.=M. und für die Gewehre der aufgelösten Nationalgarde mit 3535 fl. 23 kr. K.=M. Am 18., abends 7 Uhr, reiste Se. Majestät der König Mar von Bayern von Wien nach Gmunden hier durch und benötigte 32 Postpferde. Samstag den 13. August abends kam ein k. k. Husaren=Rittmeister als Kurier von Wien nach Ischl hier durch mit der Nachricht, daß am nächsten Tage, nämlich Sonntag den 14. früh Se. Majestät unser aller¬ gnädigster Kaiser Franz Josef hier durchreisen, aber hier bloß umspannen werde. Die Hausbesitzer der Straßen in Ennsdorf, der Stadt, Steyrdorf, Bruderhausgasse und Aichet. welche Se. Majestät durchfuhren, wur¬ den von der Polizei davon benachrich¬ tigt, auch die Stadtregie und die Be¬ wohner des Rathauses blieben, nicht müßig, und so war die Stadt bis zum Sonntag morgens um 8 Uhr mit Stau¬ den, Blumengewinden, Fahnen und Teppichen bei ganz heiterem Himmel weit schöner geputzt, als am Fronleich¬ namstage, auch das Menschengedränge war in den Gassen und am Stadtplatz ungeheuer. Alles erfolgte wie durch einen Zauberschlag. Außer dem Ennsdorfer Mautschran¬ ken stand ein Triumphbogen und vor diesem der Gemeinderat. Ein Mädchen mit einem Prolog, noch 12 weißgeklei¬ dete Mädchen und bis gegen das Schloß Engelhof hinab die Schuljugend. Mit¬ ten am Stadtplatze erwarteten die k. k. Behörden und der Fürst Lamberg Se. Majestät im dichtesten Menschengewühle. Der Kaiser kam mit einem einzi¬ gen vierspännigen Wagen in Gesellschaft des k. k. 1. Generaladjutanten Gra¬ fen von Grünne unter Geläute und Böllerschüssen um ¼ vor 10 Uhr vor¬ mittags an, fuhr aber, ohne den Ge¬ meinderat usw. bei der Triumphpforte zu bemerken, im starken Trabe durch und sprach bloß auf dem Stadtplatze während des Umspannens zu dem Für¬ sten Lamberg, Landesgerichtspräsidenten usw., die ihm vom Bezirkshauptmann vorgestellt wurden, sehr wenige Worte, während das Vivatrufen der Menge kein Ende nahm. Die Gattin des Lan¬ desgerichtskanzlisten Hübl drängte sich zum Wagen und belästigte Se. Majestät in mit einem Spruche und Anliegen so¬ einer Prozeßsache; es wurde aber gleich nach Kremsmünster abgefahren. Abends fand zur Vorfeier des kaiserlichen Geburtsfestes im Gastgarten „zur goldenen Krone“ ein glänzendes und stark besuchtes Fest statt, mit Musik und einem sehr hüb¬ schen Feuerwerke von Herrn Stadler aus Linz. Aepfel, Zwetschken und Weintrau¬ ben gibt es in ungeheuren Massen, alle

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