Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1915

der Bürgerwehr behalten wollen. Al¬ lein noch vor dem Fronleichnamstage erhielten sie vom Herrn k. k. Bezirks¬ hauptmann den Rat, selbe mit wei߬ roten Binden zu vertauschen, was auch ogleich geschah. Am 4. Juli sind von der hier be¬ stehenden Männer=Liedertafel 20 Mitglieder nach Linz gefahren, um sich dort an die Wiener und Linzer Liedertafeln anschließend nach Passau zum großen Sängerfeste zu begeben, wo über 1600 Sänger zusammenkamen. Den 14. Juli mittags kam die 1. Kompagnie der nach Garsten bestimm¬ ten Garnison, nämlich vom ungar. Infanterieregiment Gyulay Nr. 19 hier durch, und am 15. der erste Sträf¬ lingstransport: 15 Vorspann¬ wagen mit 60 männlichen Sträflingen und einer Eskorte von einer halben Kompagnie Infanterie, 12 Husaren und 8 Gendarmen; am 17., 19., 21. und 23. kamen ganz gleiche Transporte männlicher Sträflinge, endlich am 25. der letzte Transport mit den Weibern, 20 Wagen stark. Bei sämtlichen Trans¬ porten, welche zusammen 320 Männer und 83 Weiber brachten, war eine gleich starke Eskorte, welche dann stets in Steyr einquartiert werden mußte. Eine unzählige Zuschauermenge stand auf dem ganzen Wege durch die Stadt bis nach Garsten. Während der Trans¬ portzeit brachten auch über 50 Last¬ wagen die sämtliche Einrichtung vom Linzer Strafhause, mit Ausnahme der Bettstätten, welche bereits früher hier aus Eisen angefertigt worden waren. Am 20. und 24. August erschienen die kaiserlichen Erlässe, daß die das Nationalgarde aufgehoben, Ministerium nur mehr dem Kai¬ ser verantwortlich und die Verfas¬ monarchischem sung in rein Sinne zu revidieren sei, was wohl auch hier ziemlich lange Gesichter ver¬ ursachte. Der Ministerpräsident Fürst Schwar¬ zenberg kam am 29. desselben Monats 63 6 Uhr auf der Reise von Wien nach Ischl hier an und übernachtete bei der „Krone“. Bei der Aufwartung der Be¬ hörden und des Gemeinderates ent¬ wickelte er die Notwendigkeit der kai¬ serlichen Erlässe und warf dem letzteren noch einmal die Husaren=Desertions¬ geschichte vom Jahre 1849 war. Bis Mitte September war fortwäl rend, das denkbar allerschlechteste Wetter und erst vom 18. an wurde es schön. Seit Menschengedenken gab es keinen so schlechten Sommer. Die Teuerung wuchs dabei, besonders bei den höchst traurigen Papiergeldverhält¬ nissen, erstaunlich: Weizen 12 fl., Gerste 8 fl., Hafer 6 fl., 1 Pfund Rindfleisch 24 kr., Schweinefleisch 32 kr., W. W., 1 Pfund Butter 1 fl. W. W. Am 3. Oktober erschien der Statthaltereierlaß, daß sämtliche Schußwaffen und Bajo¬ nette des Nationalgarde=Schützenkorps an den k. k. Artillerieposten in Linz eingeliefert werden müssen, das alte Bürgerkorps aber nach Prüfung der Statuten und Standeslisten fort¬ bestehen könne. Die Schützen tru¬ gen daher ihre schönen, neuen, gezoge¬ nen Stutzen und Karabiner mit Hau¬ bajonetten auf das Rathaus und am 29. Oktober wurden 12 Kisten mit 92 Stutzen und 195 Karabinern, dann 94 neuen Läufen und der im Jahre 1848 der Nationalgarde von dem damaligen Kreishauptmann Baron von Hohenbruck geschenkten Fahne nach Linz abge¬ liefert Im Strafhause in Garsten fanden seit ein paar Monaten mehr¬ mals, besonders in letzter Zeit öf¬ ters nächtliche Gespenstererschei¬ nungen statt und von den äußeren Militärwachposten wurde bereits drei¬ mal auf solche Gespenster scharf, je¬ doch vergeblich, geschossen, weil sie sich gewöhnlich von der äußeren Ecke der Losensteiner=Kapelle in den Zellen=Spa¬ zierhof hinabließen und dann auf den dort aufgestellten Wachposten zuschrit¬ ten. Eine strenge Untersuchung der ge¬

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