Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1915

56 Das war aber auch alles und eine Woche darauf schien der Herzog an den Besuch gar nicht mehr zu denken, we¬ nigstens vermied er es, davon zu sprechen. Herr Gerung war der Dolmetsch von seines Bruders Wünschen beim Herzog geworden, der auf die Bitte um die Bewilligung zur Heirat Meginhalms mit Mechthild von Weitenegg etwas wehmutsvoll in Blick und Ton sagte: „Mein lieber, lieber Gerung, es ist ja selbstverständlich, daß wir nicht zu lösen versuchen werden, was Gott zu¬ sammengegeben — wir haben es ja an uns erfahren müssen, daß der Herr sel¬ ber das löst, was ihm nicht gut und genehm erscheint.“ Und als Herr Gerung seinen hohen Gebieter fragend ansah, reichte ihm die¬ ser die seit der Garstner Predigt im¬ mer behandschuhte Rechte und meinte mit leichtem Anflug von Lächeln: „Mein lieber, getreuer Gerung! Ich verstehe deinen Blick und du deutest meine Worte ganz recht! Herzog Ot¬ — heiratet nicht — von wegen tokar der Bresthaftigkeit, so ihn betroffen der schöne Traum ist aus — ich bin gar zu fürchterlich erwacht, um mich an den Gedanken, allein durchs Leben zu wandeln, so schnell haben gewöhnen können — jetzt bin ich ruhiger gewor¬ den und kann ja wohl davon reden.“ Und er sah Herrn Gerung mit so ent¬ sagungsvoller Ruhe und Herzensgüte an, daß derselbe nicht mehr seine Gefühle meistern konnte, die er seit Tagen zu¬ rückgedrängt hatte — er stürzte auf die Knie nieder, umklammerte des Herzogs Füße, lehnte sein Haupt an dieselben und schluchzte in herzbrechender Weise: „Mein hoher Herr — verzeiht mir daß ich so alle Vorschriften des Zere¬ moniells vergesse — aber — Gott sei mein Zeuge — ich kanns nimmer ver¬ winden, was in mir gährt und ar¬ beitet — ich glaub's nicht, daß mein Fürst so schwer geprüft wird es ist unfaßbar für meinen geringen Ver¬ tand — wo blieb denn Gottes un¬ endliche Güte und Erbarmen?“ Der Herzog streichelte zärtlich das graue Haar seines treuen Dieners. „Hab' Dank für deine Tränen, du Getreuester meiner Getreuen,“ sagte er dann mit leise zitternder Stimme, „und lästere die Vorsehung nicht! Mich hat großes Leid betroffen, schier übergro¬ ßes, und doch, wie dank ich meinem Schöpfer, daß er mich es nicht allein tragen läßt, daß er mir fühlende Men¬ chenherzen zur Seite gegeben, die mich warten und pflegen und die mir ge¬ treulich über die schwersten Stunden hinweg helfen! Wie trostlos wäre es, tünd' ich allein, vielleicht als Bett¬ ler, in dieser Bresthaftigkeit da, doch, mein lieber Gerung, der hochwürdige Abt von Garsten hatte fürwahr recht, wenn er sagte: „Du bist ein Fürst, — der Vater deiner Untertanen!“ Das erstere will ich bleiben — das letztere aber werden! Und nun steh' auf, lieber Gerung — wir wollen ein¬ ander die Alten bleiben, was? „O, mein gnädigster Herr,“ mur melte Gerung, sich erhebend und sich die Augen wischend, „ihr beschämt uns alle durch eure Standhaftigkeit — es geschehe Gottes Wille!“ Und er küßte seinem Gebieter, ehe dieser es hindern konnte, die Hand und stürzte aus dem Gemache so hastig hin¬ aus, daß er fast Meginhalm überrannte, der im Vorsaale gespannt das Ergebnis von seines Bruders Fürsprache beim Herzog erwartete. „Ei, ei, hier bin ich, Gerung,“ sagte er scherzhaft seinen Bruder bei den Schultern erhaschend, und ihn vor sich festhaltend, „was ist Böses los, daß du rennst, als sei der leibhaftige Gottsei¬ beiuns hinter dir?“ „Für dich ist gewiß nur Gutes los, erwiderte Herr Gerung, sich gewaltsam fassend und blickte Meginhalm, der ob der verstörten Mienen Gerungs eine Frage zu tun im Begriffe war, bittend

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