48 melte mit von Schluchzen gebrochener Stimmé: „Der Abt von Garsten hat recht — ich bin — aussätzig!“ XVII. Nach sehr kurzem, aber wohltätigen Schlaf erhob sich Herzog Ottokar von seinem Lager. Der Leibknappe hatte ihn wecken müssen, da es Zeit zur Früh¬ messe war, die Ottokar täglich in der Schloßkapelle hörte. Der Herzog fühlte sich körperlich zwar müde, aber sonst wohl, und die Verzweiflung, die ihn gestern und noch in der Nacht so gänzlich beherrscht hatte, war einer stillen Ergebung in Gottes Willen gewichen. In dieser Stimmung hörte er die heilige Messe an, nahm während derselben die Kom¬ munion, und sichtlich beruhigt und in gehobener Stimmung verließ Ottokar die Schloßkapelle und begab sich in den Garten hinab, denn er empfand das Bedürfnis sowohl nach der frischen Luft daselbst als auch nach Sammlung seiner geistigen Willenskraft, denn er wollte ruhig scheinen, wenn er seiner hohen Braut den Morgengruß bot. Und so wanderte er sinnend den Alleen des Parkes auf und ab, be¬ trebt, über das, was jetzt zu tun sei, zu einem Entschlusse zu kommen. Seuf¬ zend gestand er es sich, daß von einer Heirat nun keine Rede mehr sein konnte, denn gramerfüllten Herzens und mit unendlicher Wehmut sagte er sich, daß ein Aussätziger kein Recht habe, eine Familie zu gründen, wenigstens kein solch Kranker, der eine Herzogskrone trug, nicht sich allein angehörte und seinen Untertanen geistig und körperlich rüstige Erben seiner Macht und seines Reiches hinterlassen müßte — oder gar keine. Aussätzig! Merkwürdig! Erklang doch heute dieses entsetzliche Wort ihm ganz anders in das Gedächtnis, als noch vor wenigen Stunden. Nicht, daß es von seiner Grauenhaftigkeit etwas ver¬ loren hätte, daß Ottokar sich über die Folgen seines Zustandes jetzt selber ge¬ täuscht oder sich der Hoffnung auf Ge¬ nesung hingegeben hätte — das war es nicht und sein Herz krampfte sich auch jetzt so heftig zusammen bei dem Ge¬ danken an seine Krankheit und deren Folgen für sein ferneres Schicksal, daß er mit der Hand unwillkürlich nach der Brust fuhr und schmerzlich bewegt auf¬ seufzte, allein während gestern und in der verflossenen Nacht sich sein ganzes Wesen dagegen empört hatte, daß ge¬ rade er verdammt war zu leiden, ent¬ setzlich zu leiden und auf alle Annehm¬ lichkeiten des Lebens verzichten zu müs¬ sen, betrachtete er jetzt die Dinge in einem anderen Lichte. Die Krisis, wenn es gestattet ist, so zu sagen, war heute Nacht in heftigster Weise ausgebrochen und Ottokars großer, starker Geist hatte sie überstanden, der Wille hatte die körperlichen Leiden insoweit be¬ siegt, als der Herzog jene stille Er¬ gebung in Gottes unabsehbaren Rat¬ schluß gefunden hatte, die alle Leiden ertragen hilft — sie sollten kommen diese Leiden, er wollte sie als Mann tragen, und leise und inbrünstig ent¬ zitterte es seinen blassen Lippen: „Herr erbarme dich meiner doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe!“ Als der Herzog jetzt aufsah, stand er vor einem Gartenhäuschen, das an die Ringmauer, die das Schloß gegen die Steyr hin abschloß, gelehnt, einen prächtigen Ausblick über Stadt und Land gewährte und Ottokars Lieblings¬ aufenthalt im Sommer war, so er zu Steyr weilte und Ruhe nach den An¬ strengungen des Tages pflog. Er trat ein, öffnete die mit Rie¬ geln verschlossenen Laden der Rückwand sperrte sie weit auf, lehnte sich an das Fensterbrett und sah lange und mit weh¬ mütigem Blick in die winterliche Land¬ schaft hinaus „Mein schönes Land Steier,“ mur¬ melten seine Lippen faßt unbewußt da¬
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