Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1915

treuer Untertan mit meiner schwachen Kraft versuchen will, den Himmel um Erbarmen für das junge Leben un¬ seres gnädigsten Herrn anzufleh'n —“ Und der Landesmarschall hielt sein Roß an, nahm den Helm vom Haupte, streckte Daumen=, Zeige= und Mittel¬ finger der rechten Hand schwurgerecht empor und sagte mit leisem Auf¬ schluchzen: „Herr Gott in deinem Reich, er¬ höre unser aller Bitten und laß unsern gnädigsten Herrn gesunden — du kannst ja Wunder tun, wirke eines und ich gelobe es dir — heut über vier Wochen bin ich auf der Fahrt nach dem ge¬ lobten Lande, wo du mein Leben hin¬ nehmen magst zum Dank und zur ##7* Sühne! Und indem er mit zitternden Händen den Helm wieder aufsetzte, überkam den riesig starken Mann ein krampfhaftes Schluchzen, sodaß sich seine Gefährten, selbst Tränen in den Augen, beeilten, ihn zu beruhigen, worauf die ganze Gesellschaft sich in Galopp setzte, teils um bald die Burg in Steyr zu er¬ reichen, teils um Herr ihrer selbst zu werden. Sie waren noch nicht weit von der Stelle fort, wo der Landesmarschall seinen Schwur geleistet, als sich vom Kloster Garsten her eine Dame und ein Herr zu Pferde nahten, jedoch ritt dieses Paar einen sehr langsamen Schritt. Es waren Fräulein Mechthild und Meginhalm, die aus dem Kloster kamen, wo sie sich ihres Auftrages ent¬ ledigt hatten, dem Abte für seine Be¬ mühungen um den heutigen Gottesdienst zu danken, Fräulein Mechthild im Na¬ men der Prinzessin Agnes und Megin¬ halm im Auftrage des Herzogs Hein¬ rich. Das junge Paar war recht einsilbig und besonders Meginhalm ritt so ernst neben seiner schönen Begleiterin, daß *) Der Landesmarschall trat tatsächlich die Reise an. Sein Schicksal in Halästina ist unbekannt. 43 diese, die ihn öfters verstohlen betrach¬ tete, endlich sagte: „Ei, Herr Meginhalm, ihr seid plötz¬ lich so schweigsam, daß ich es mir nicht erklären kann. Es sticht dieses euer Stillschweigen gar so seltsam davon ab von eurer Lebhaftigkeit am Herwege frage ich unbescheiden, wenn ich um den Grund dieser seltsamen Verände¬ rung mich erkundige?“ Gewiß nicht, edles Fräulein,“ ent¬ gegnete Meginhalm rasch, „denn es freut mich allemal, wenn ihr euch mit mir befaßt.“ Und als Mechthild ihn fragend ansah, setzte Meginhalm hastig hinzu: „O, fürchtet nicht, daß ich euch mit leerem Gewäsch quäle, es war sehr ehrlich und — ohne Tändelei ge¬ meint. Wenn ihr jedoch wirklich den Grund meiner Schweigsamkeit zu wis¬ sen verlangt, edles Fräulein —“ „Ei doch ja, Herr Meginhalm,“ sagte Mechthild etwas ungeduldig und rümpfte unmutig das Näschen, „würde ich sonst wohl gefragt haben, wenn nun, wenn ihr für mich niemand weiter, als der Herr Meginhalm von Schachen wärt? Und sie sah ihren Begleiter jetzt wieder so freundlich an, so daß dieser freudig sagte: „Was könnt' ich euch wohl sein, edles Fräulein — doch nicht der, der sich erkühnen darf, einst um eure Hand zu werben?“ Fräulein Mechthild schoß das Blut jäh in die Wangen bei diesen Wor¬ ten, sie richtete sich plötzlich hoch im Sattel auf und sagte mit großer Ruhe, doch ohne ihren Begleiter an¬ zusehen: „Warum solltet ihr euch nicht er¬ kühnen, um meine Hand zu werben? Wär euch das jetzt, wo ihr mein Ge¬ müt näher habt kennen gelernt, nicht mehr so genehm wie ehedem?“ „O, wie kommt ihr auf so grause Gedanken?“ rief Meginhalm fast er¬ schrocken aus. „Mein Herzblut gäb

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