42 ren jetzt, nach dieser ergreifenden Pre¬ digt, nicht mehr beim Gottesdienste. Wie denn auch? Beschäftigte ja die meisten der in die dermalige Lage nicht eingeweihten Anwesenden die Frage: Was war der Zweck der Rede des Abtes Die Wirkung der Predigt war dem¬ nach eine sehr verschiedene. Das große Auditorium war tief gerührt über das Schicksal des unglücklichen Fürsten, von dem der Abt gesprochen hatte, die Wis¬ senden in dem Drama, das sich zu Steyr abzuspielen begonnen hatte, waren nicht minder tief ergriffen und die rauhen Krieger schluchzten leise in sich hinein und waren bemüht, dies nach Tunlichkeit zu verbergen, vor allem vor ihrem Herrn und Gebieter, der sie be¬ obachten konnte. Herzog Ottokar hatte, das bemerk¬ ten die edlen Herren gar wohl, mit einer Aufmerksamkeit der Rede des Ab¬ tes gelauscht, die an ihm ungewöhnlich war, und sein Blick hatte oft und lange und forschend auf dem Predi¬ ger, seiner Umgebung und auf den Her¬ ren geruht, die in den ersten Bank¬ reihen saßen. Herr Gerung, der ein sehr gutes Auge besaß, sagte nach dem Verlas¬ sen der Kirche zu seinen allerbesten Vertrauten, daß er eine Aufregung am Herzog bemerkt habe, die bei jedem Satze, den der Abt sprach, sich stei gerte und sich dadurch kennzeichnete, daß der Herzog oft die Gesichtsfarbe auffallend schnell wechselte. Ottokar habe seine Umgebung nur flüchtig an¬ gesehen und der Burggraf wußte, als die Herren jetzt gegen Steyr ritten, zu erzählen, der Herzog sei, als er seine hohe Braut in den Sattel hob, sehr wortkarg gewesen. „Ich hab' jedoch an ihm sonst nichts bemerkt, was mich vermuten lassen könnte, daß er den Sinn von des Abtes Rede verstanden hat,“ schloß der Burggraf die Erzählung seiner Be¬ obachtungen, „und ich fürchte sehr, die edle Absicht des Abtes von Garsten, un¬ serm gnädigsten Herrn die Unheilbar¬ keit sseines Leidens auf eine so scho¬ nende und rührende Art beizubringen, ist gründlich fehlgeschlagen. Herr Gerung wiegte nachdenklich das ergrauende Haupt, richtete seinen Fuchs, der über eine Wurzel, die offen am Wege zutage lag, gestolpert war, mit einem derben: „Faule Mähre“ am Zügel auf und sagte im Weiterreiten bedächtig: „Lieber Burggraf, das möchte ich gerad nicht sagen, denn wißt, unser gnädigster Herr Herzog, so jung er ist, hat doch gleichwohl eine Natur, die sich zu beherrschen weiß, und ganz natürlicherweise wird er in die¬ er Stunde nicht aller Welt kundgeben wollen, was ihn bewegt und wie ihm zu Mute ist. Ihr edlen Herren, es soll mich gar nicht verwundern, wenn noch ein paar Tage verstreichen, be¬ vor wir wissen, ob der Garstner hoch¬ würdigste Herr Abt seinen Zweck au diese ebenso feine als menschenfreund¬ liche Art erreicht hat.“ „Herr Gerung mag schon Recht haben,“ warf da Herr von Stubenberg ein, „auch ich kenne unsern gnädigsten Herrn als eine in Sachen seiner Krank¬ heit sehr verschlossene Natur, dazu hat er eine eiserne Willenskraft, wenn es gilt, Schmerz und Ungemach zu über¬ winden. Eindruck hat diese einzig schöne und rührende Predigt ganz gewiß auf ihn gemacht; vielleicht überlegt er doch, was sie bedeuten soll!“ „Ist auch meine Meinung,“ fiel der Landesmarschall da mit sehr bewegter Stimme ein, „und ich weiß nur, daß mich unser gnädigster Herr während der Predigt einigemale so fragend ange¬ sehen hat, daß ich förmlich aufschreien hätt' mögen vor innerlichem Weh Gott verzeih' mir meine Sünden, für die ich gern büße, aber dieses qual volle Leben hier am Hofe bei uns in Steyr halte ich nicht mehr länger ich vergehe sonst vor Gram aus und ich gelobe es hiermit, daß ich als
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2