38 nach Garsten gekommen, um daselbst Abt dem Gottesdienste anzuwohnen. Konrad hatte versprochen, die Predigt zu halten und als der Burggraf von Steyr ihn an sein hohes Alter mahnte und sich zu schonen ihm in aller Freundschaft anriet, hatte der Abt mit feinem Lächeln erwidert: „Lieber Burggraf, bin ich nicht Hof¬ kaplan zu Steyr? Wer sollte sonst wohl predigen, wenn der Hof nach Garsten kommt? Zudem wird es nicht mehr so viel Gelegenheiten geben, mich der schweren Pflicht zu entledigen, die mir die Edlen der Steiermark auf gebürdet haben!“ Der Burggraf verstand den Abt, oder er ahnte doch, daß es mit der Pre¬ digt am Heiligen Dreikönigstage eine große Bewandtnis haben müsse, nickte und schwieg. Das hinderte ihn aber nicht, den Hochgestelltesten am Hofe diesbezügliche Winke zu geben, und al¬ les war daher gespannt darauf, was sich an diesem Tage ereignen würde. Die wenigen in die Sachlage am Hofe zu Steyr Eingeweihten wurden durch diese Worte des Abtes in große Aufregung versetzt, denn der Augen¬ blick der Entscheidung nahte heran. Von den babenbergischen Gästen kannte nur Herzog Heinrich die ganze Trostlosigkeit des Gesundheitszustandes seines zukünftigen Schwagers, den ihm, im Auftrage des Adels und der Mini¬ sterialen, soweit diese selbst Mitwisser des furchtbaren Geheimnisses waren, der Burggraf und Herr Gerung enthüllt hatten und es bedurfte der feier¬ lichsten Versicherungen des Paters Erasmus und eines förmlichen Schwu¬ res seitens des alten Abraham, bis Herzog Heinrich daran zu glauben ge¬ radezu gezwungen wurde, worauf der¬ selbe sogleich einen Boten insgeheim Dieser nach Wien abgesandt hatte. Bote war Hellwig, der zukünftige Schwiegersohn des Torwarts Aribo, dem für rasche und geheimste Bestel¬ lung seines Auftrages reichlicher Lohn vom Herzog Heinrich in Aussicht ge¬ stellt worden war. Herzogin Helena, seiner Schwäge¬ rin, hatte Herzog Heinrich bereits wie¬ derholt davon gesprochen, daß er Ot¬ tokar für so krank halte, daß man sich auf alles gefaßt machen müsse, und die Fürstin war darob nicht wenig ent¬ setzt, erst gar, als sie den wahren Sachverhalt erfuhr und von Herzog Heinrich vernahm, daß er in unauf¬ fälliger Weise bereits nach Wien um Rat und Weisung angefragt habe. Ihrer Tochter hatte die Herzogin bisher nichts von dem Unglück, das sie alle betroffen, mitzuteilen den Mut gehabt, denn, selbst noch niederge schmettert und ratlos, wäre es ihr un¬ möglich gewesen, ihr Kind jäh von der Höhe des Glückes in den tiefsten Abgrund der Verzweiflung zu stürzen zumal die Herzogin es sich nicht ver¬ hehlte, daß, nach allem, was sie zu beobachten Gelegenheit hatte, Agnes dem Herzog Ottokar in aufrichtiger Liebe zugetan war. Der Herzogin Helenas Seelenzustand ist schwer zu schildern, und ihre Selbst¬ beherrschung, mit der sie unter Lächeln und freundlichen Worten allen gegen¬ über von ihrer Tochter als von der zu¬ künftigen Herzogin von Steier sprechen mußte, während sie genau wußte, daß in kürzester Zeit dieser auch für die Steyrer so schöne Traum jäh zerstört werden mußte, war bewunderungs¬ würdig. Bis zum 6. Jänner war der Tro߬ knecht Hellwig noch nicht von Wien zurück und fast hätte Herzogin Helena die Entscheidung ihres hohen Gemahls noch lange Zeit hinaus verschoben ge¬ wünscht, wenn ihr Herzog Heinrich nicht Andeutungen darüber gemacht hätte, daß vielleicht bei dem heutigen Kirchgange der Stein ins Rollen gebracht wer¬ den dürfte, der in seinem unaufhalt¬ samen Niederstürzen das Glück so vie¬ ler Menschen zerschmettern mußte.
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