Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1915

Sinn eines edlen Gatten — doch eilen wir nach Hause, Mechthild wird der Ruhe bedürfen.“ Und noch einen Blick auf die bei den Worten ihrer Gebieterin die Augen zu Boden senkende Mechthild, trat die hohe Frau zu ihrem Pferde, das sie mit Hilfe Hartnid von Orts bestieg, während Meginhalm, der bisher kein Wort gesprochen, das Pferd eines Pa¬ gen mit dem Damensattel vom Zelter Mechthildens versah, derselben in für¬ orglichster Weise, doch ohne sie anzu¬ sehen beim Aufsitzen half und das Barett lüftend, vor Agnes von Ba¬ benberg trat und sagte: „Ihr gestattet doch, hohe Frau, daß ich mit einem der Pagen hier zurück¬ bleibe und Fräulein Mechthilds Jagd¬ beute, sowie ihren verunglückten Zel¬ ter heimschaffen lasse?“ „Freilich wohl,“ erwiderte die hohe Frau lächelnd, „seht zu, daß ihr das noch vor Einbruch der Nacht bewerk¬ stelligen könnt, denn wir hoffen euch heut abend beim Speisen zu sehen und uns von euch erzählen zu lassen, wie ihr den Eber erlegtet, und unsere Mech¬ thild dürfte kaum etwas dagegen ha¬ ben, wenn ihr euch bei dieser Ge¬ legenheit um ihr Befinden erkundigt und sie auch nach dem euren fragen kann. Gott mit euch, Herr Megin¬ halm!“ Und mit wohlwollendem Kopfnicken ritt die hohe Frau von dannen. Hart¬ nid von Ort drückte Meginhalm die Hand und beeilte sich dann, seine Ge¬ bieterin einzuholen, während Fräulein Mechthild allein zurückblieb und mit einem Entschluß kämpfend dem Pferde des Pagen, das sie nun ritt, die Mähne streichelte. Meginhalm sah die Weiteneggerin verstohlen etlichemal an, dann fragte er sie: „Habt ihr mir bezüglich des Ebers keine Befehle zu geben, edles Fräu¬ lein?“ 37 Sie sah ihn forschend an und schüt¬ telte verneinend das Köpfchen. „Haltet ihr mich denn wirklich für gar so leichtsinnig und vergnügungs¬ süchtig, Herr Meginhalm?“ fragte sie dagegen. „Sagte ich denn das?“ rief er fast bestürzt, „wie kommt ihr zu der seltsamen Frag', edles Fräulein?“ „Ei, — es schien mir so eine Art von Vorwurf in der Frage nach dem Eber zu liegen,“ sagte Mechthild bei¬ nahe zagend, „es klang, als ob ihr mich jetzt noch nur mit törichten Ge¬ danken behaftet euch vorstellen könn¬ tet. Herr Meginhalm — wars nicht so gemeint? Und ihr Blick sah fast ängstlich zu ihm hernieder. „Um Gott, nein, gewiß nicht!“ rief Meginhalm eifrig und ergriff ihre Hand, „aber wenn es so gewesen wäre wann läg' euch denn überhaupt et¬ 4 was an meiner Meinung über euch?“ „Vielleicht auch bisher gewiß aber von nun an, Meginhalm,“ sagte Mechthild plötzlich weich, sah ihm tief in die Augen, drückte ihm leicht die Hand und wandte rasch das Pferd herum und ein paar Augenblicke spä¬ ter war sie den Blicken des Ritters entschwunden, der fast zärtlich den Eber betastete und zu dem Pagen sagte: „Freund, das war ein glückliches Abenteuer — für mich nicht minder als für Fräulein Mechthild — aus den Hauern lasse ich mir einen Bügel für meinen Dolch machen zum Angedenken, jetzt aber spute dich da hinauf zum Förster und seh zu, daß er mit Leuten kommt, damit wir weiterkomme, el es Abend wird!“ XIV. Der 6. Jänner 1185 fand eine gar glänzende und hohe Gesellschaft in den Räumen der Klosterkirche von Garsten. Herzog Ottokar war mit seinen hohen Gästen, die in wenigen Tagen nach Oesterreich zurückkehren wollten,

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