er hielt sein Pferd zurück, um der Hofdame Platz zu machen, die heran¬ gesprengt war. „Gestattet doch, hohe Frau, daß ich den Eber etwas hetze,“ bat sie, „zu verlockend läuft er vor uns am Wege —7 dort „Aber, Mechthild,“ sagte Agnes von Babenberg und sah mit Erstaunen in das vor Erregung gerötete Gesichtchen ihrer Hofdame, „das wußt ich wahr¬ lich nicht, daß ihr so leidenschaftlich Sankt Hubertus ergeben seid — im¬ merhin zu, aber Achtung, der Weg ist schmal.“ „O, mein Zelter ist sicher,“ rief Mechthild von Weitenegg und schoß an ihrer Gebieterin vorbei, um unter lustigem Schwingen der Reitgerte dem Eber nachzusetzen, der um eine Weg¬ biegung soeben verschwunden war. Mittlerweile war auch Meginhalm herangekommen, der mit Fräulein Mechthild bislang ein gut Stück hin¬ ter der hohen Dame und ihrem Be¬ gleiter geritten war. „Wird gut sein, wir reiten etwas schärfer,“ sagte Agnes von Babenberg, „wer weiß, ob der Eber sich nicht stellt.“ „Wohl möglich,“ nickte Hartnid von Ort, „er kann nicht aus hier am Weg — rechts die Enns, links die hier grad fast senkrecht abfallenden für Felsen und eine Umkehr ist schwer ihn, da wir den Weg verstellen. Und schon setzte sich die Gesellschaft in ein lebhafteres Tempo, während Me¬ ginhalm sein Pferd in Galopp brachte und voraus sprengte. Mechthild von Weitenegg war eine gute Strecke Weges bereits voraus und sah mit großem Vergnügen, wie der Eber vor ihr hergaloppierte und bedauerte, daß niemand von der il¬ lusteren Gesellschaft mit Speer und Bo¬ gen bewaffnet sei. „Er wird entkommen,“ dachte die als eifrige Jägerin bekannte Mechthild, 77 „wie schade 35 Sie wurde in ihrem Gedankengang unterbrochen, denn den Eber schien der Galopp auf dem steinigen Uferweg zu langweilen. Er machte plötzlich halt, drehte sich um und sah mit funkeln¬ den Augen und vor Hitze und Atem¬ losigkeit herausgestreckter Zunge auf seine Verfolgerin, die ihm auf we¬ nige Galoppsprünge nahegekommen war. Der feurige Zelter, den Fräulein Mechthild ritt, mochte durch diese plötz¬ liche Wendung des Wildes, die von einem sehr lauten und zornigen Grun¬ zen begleitet war, erschreckt worden sein, denn er machte plötzlich einen Satz nach links, gegen die steile Ennsufer¬ böschung, stieß aber dabei mit dem Kopfe an den grobrindigen Stamm einer alten, hochstämmigen Weide der¬ art heftig an, daß er, wahrscheinlich betäubt, plötzlich zu Boden stürzte, und zwar für seine Reiterin so unglücklich, daß diese mit einem Fuße unter dem Leibe des röchelnden Pferdes zu liegen kam. Vergebens bemühte sich Fräulein Mechthild, sich aufzuraffen, allein es gelang ihr nicht, ihren Fuß unter dem Pferde herauszubringen, doch stemmte sie sich mit den Händen auf den Bo¬ den auf, so daß doch der Oberleib aufgerichtet war. Hiebei gewahrte sie zu ihrem nicht geringen Schrecken, daß der Eber die Sachlage sich eben zunutze zu machen bestrebt war und sich, nachdem ihm der Körper des Pferdes den Weg verlegte, anschickte, im Sprung das Hindernis zu übersetzen. Dieser Sprung des Tieres erfolgte dann auch, aber leider zu kurz und so nieder, sodaß der Eber an den Körper des Tieres anprallte und hie¬ durch zu Falle kam. Er raffte sich zwar im nächsten Augenblicke wieder auf und setzte sich, kam aber dadurch nur zwei bis drei Schritte gerade der Edeldame gegenüber, die vollkommen wehrlos, mit Entsetzen sich dem wütenden Tiere gerade gegenüber sah, das, wie es 10*
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