Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1915

30 Dieser war es wirklich und beeilte sich, seinen Mantel einem Laienbruder zu übergeben und beim Abte einzutre¬ ten, der ihm herzlich die Hand schüt¬ telte. „Ihr rieft so dringend, Herr Abt,“ sagte Herr Gerung lächelnd, „als ob das Kloster in Gefahr sich befände — haben doch Frieden im Land „Wohl, wohl,“ entgegnete der Abt gezwungen scherzend, „doch wird's bald um sein mit dem Frieden, dächt' ich, doch das hört ihr, Gott sei's geklagt, noch ehe genug, Herr Gerung — wollt es euch nur heimlich machen hier, es kommen wohl der Herren noch mehr und bald.“ „Oho, doch nicht zu einem hohen Rat am Ende?“ fragte Herr Gerung aufhorchend, worauf der Abt nickte. „Ist so, Herr Gerung — ein trau¬ rig Geschichtlein hab' ich den edlen Herren zu vermelden, ahnt es doch — was ist doch das?“ wohl, „Ei, der Türmer gibt das Zeichen, daß Besuch vom Hofe naht,“ fiel Herr Gerung ein, „hab's recht deutlich ver¬ nommen.“ „Doch nicht der Herr Herzog?“ fragte der Abt beinahe ängstlich. „Nicht doch, Herr Abt,“ meinte der Hofmann mit einerleichten Handbewegung, „euch willfährt aber doch sehr hohe Ehre, — die schöne Ba¬ benbergerin, unseres gnädigsten Herrn liebreizende Braut, Agnes von Oester¬ reich, hat es sich in das Köpfchen gesetzt, heute das Kloster Garsten zu be¬ suchen. Des Abtes Mienen zeigten durchaus keine Freude ob des hohen Besuches und beinahe unmutig murmelte er fast für sich: „Zu sehr ungelegener Stunde, däucht' es mich,“ und setzte, als er das Erstaunen ob solchen Worten Herrn Gerung vom Gesichte ablas, rasch hinzu: „O, mißversteht mich nicht, — die hohe Frau ist ja stets willkommen, aber ich bin gebunden und aus dem Rat wird nichts. „Wär' nicht, schlecht,“ sagte Herr Gerung in seiner kurzen Weise, „die edlen Herren werden eben ein Weilchen ich gedulden, bis ihr frei seid, Herr Abt, gar zu lang wird's ja nicht dauern das, bis dahin versammle ich hier die edlen Herren und wir vertreiben uns die Zeit beim Humpen, den ihr uns, den Laien, vorzusetzen gewiß als euren Klosterregeln nicht zuwiderfinden werdet!“ Der Abt nickte und eilte aus dem Zimmer, denn die Zugbrücke rollte so¬ eben herab und eine kleine Gesellschaft von edlen Frauen und Herren donnerte darüber und in den Klosterhof hinein. Agnes von Babenberg ritt mit dem steirischen Edlen Hartneid von Ort an der Spitze des Zuges, den Beiden folgten Mechthild von Weitenegg und Meginhalm von Schachen, den Beschluß machten drei Edelknappen. „Verzeiht, Herr Abt, daß wir so lange mit unserem Besuch in Garsten haben warten lassen, und denkt nicht, daß es aus Mangel an der der heil. Kirche und deren Dienern schuldigen Ehrfurcht geschah,“ sagte die hohe Frau mit freundlichem Lächeln, „aber, zu Steyr gibt es so viel für uns zu tun ihr verzeiht doch den Verzug und läßt suns das nicht entgelten? „Nicht doch, hohe Frau,“ beeilte sich der Abt zu sagen, „ich und meine Brüder bitten euch, über das Kloster zu verfügen, der Herr segne euren Ein¬ tritt!“ Und nach einer Verbeugung gelei¬ tete der Abt die Gesellschaft in die Kirche, die zuerst besichtigt werden sollte. An der Kirchentür blieb Megin¬ halm von Schachen, der schweigend und ohne seine Begleiterin anzusehen, neben ihr einhergegangen war, stehen, denn er hatte an einem Fenster seinen Bruder gesehen und wollte demselben, eben recht erstaunt, ihn hier zu tref¬

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