Ein tiefes Schweigen folgte diesen Worten, keiner sah den andern an. „Und unheilbar aussätzig, sagte endlich Pater Erasmus mit tiefem Seufzer und reichte dem Juden zum 5 und Zeichen des Einverständnisses tiefsten Mitgefühls die Hand, „Gott er¬ barme sich seiner!“ Der alte Abraham hatte den Hände¬ druck des Paters stumm und verständ¬ nisvoll erwidert, denn auch in seiner Brust empfand er das lebhafteste Mit¬ gefühl mit dem hohen Kranken, und auch sein Geist übersah, gleich wie jener des Paters, das den steirischen Landen drohende Unheil, wenn Otto¬ kar nicht zeitgerecht von seinem Zu¬ stande Nachricht erhielt und mit ruhi¬ ger Ueberlegung sein Haus bestellte. „Der Herr Herzog muß Klarheit haben über seinen Zustand,“ sagte Pater Erasmus, der, als das ihm so entsetzliche Wort einmal gefallen war, seine Ruhe und Tatkraft wiedergefun¬ den chatte, „aber wer soll ihm die Unglücksbotschaft vermelden?“ Ei, ich glaube doch wohl ihr 9 selber,“ erwiderte der alte Abraham lebhaft. „Bin ich auch als Arzt im Ansehen beim Herrn Herzog, darf ich doch nicht sprechen, wie ich will, und nie würden die Hofleute es mir ver¬ zeihen, daß ein Jude es war, der den Herzog für unheilbar erklärte. Und dann — würde man mir, dem Juden, glauben, wäre denn mein Ausspruch vollgiltig und unanfechtbar im Rate der Krone?“ Pater Erasmus hatte aufmerksam den Worten des alten Abraham ge¬ lauscht. „Du magst nicht Unrecht haben, Abraham,“ sagte er jetzt hastig und fast rauh, „aber Gott sei vor, daß ich unserm Herzog das Schreckliche ver¬ künde. Wisse, ich war sein Lehrer, der von des Herzogs Kinderjahren an sein Leben bewacht, ihn geleitet und ihn geführt hat. Mir ist die Liebe zu ihm unauslöschlich seit jenen Tagen ein¬ 29 gegraben, wo ich das edle Reis der Ottokare eingeführt habe in die Hei¬ ligkeiten unseres Glaubens und einge¬ weiht in die Geheimnisse der Wissen¬ schaft. Der Lehrer hängt mit schwär¬ merischer Verehrung seit dieser Zeit an einem hohen einstigen Schüler und fern sei von mir, daß mein Mund ihm die traurige Kunde übermittelt, daß ich es bin, der ihm Kummer und Leid mit der Schreckenskunde verursacht nein, nein, ich brächte es nicht übers Herz!“ Und Pater Erasmus fuhr sich über die feuchtschimmernden Augen, dann reichte er dem Juden wieder die Hand und sagte: Schweig noch ein paar Tage, Abra¬ ham, bis ich darüber nachgesonnen, wie und wer unsere traurige Erkenntnis verlautbaren soll — es wird sich des guten Rats ja welcher finden.“ „Ja doch,“ entgegnete der alte Abraham dabei warm, „bin ich auch nur ein Jude, so fühle ich doch mit euch — ich werde schweigen, bis ihr meine Zunge lösen werdet.“ Und nach kräftigem Händedruck eilte der alte Abraham zur Tür hinaus. XII. Abt Wenige Tage darauf stand Konrad I. von Garsten im Erker sei¬ nes Zimmers und-sah gegen Steyr hin¬ aus. Es war ein heller schöner No¬ vembernachmittag und der Ausblick weit gegen Steyr frei. Der Abt schien un¬ ruhig und auch jemanden zu erwar¬ ten, denn öfters spielten seine Finger mit dem edelsteinbesetzten Kreuz auf sei¬ ner Brust, und als ein Reiter das Strä߬ lein herab nach Garsten im scharfen Trab geritten kam, huschte es wie Be¬ friedigung über die etwas in Auf¬ regung geratenen Züge des Abtes und er murmelte: „Ah, endlich der erste von den edlen Herren und zum Glück der wackere Herr Gerung.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2