„O, davon bin ich überzeugt,“ sagte das Edelfräulein lachend, „doch wollt nicht alle den Kopf so arg verlieren dabei, wie euer Herr Bruder Megin¬ halm dahier, der seit unserer Ankunft in der Burg vor Dienstfertigkeit, wie ich nur gleich zugestehen will, nicht weiß, wo er mit dem Dienst für uns beginnen soll.“ Und das Fräulein von Weitenegg sah lächelnd ihren Begleiker, der, nach¬ dem er alle Blicke auf sich gerichtet fühlte, ziemlich hilflos von einem zum andern blickte. „So, so,“ meinte Herr Gerung mit gutmütigem Spott und sah den Bruder schadenfroh an, „das dacht ich nicht von dir, Meginhalm. Der Herr Herzog hat gerade dich zum Ehrendienst auser¬ wählt, der du im Minnedienst so gute Schule zu Wien bei Hofe genossen scheint ihn die Freude darüber, holde Frauen wieder in unserer uralten Burg walten zu sehen, etwas übereifrig ge¬ macht zu haben, und da klappt's dann nie so recht, gelt?“ „Mag schon sein,“ sagte Meginhalm etwas trotzig und warf seinem Bruder, dessen Anspielungen er gut verstand, einen etwas ärgerlichen Blick zu, „soll aber ein Mensch in euren Anordnungen sich auch zurecht finden!“ „Dacht' ich's doch, daß wir wenig Ehr aufheben werden mit unsern Vorberei¬ tungen,“ lachte Herr Gerung, „doch ich bin zu Diensten, edles Fräulein erlaubt nur vorher noch, daß ich euch unsern Landesmarschall vorstelle, Herrn 7 Herwick „Dessen gewaltig gute Klinge auch zu Wien bekannt ist,“ fiel das Fräu¬ lein von Weitenegg, sich lächelnd zu dem Landesmarschall wendend, ein, der jetzt in den Kreis trat und ihm die Hand reichend, fügte sie lebhaft hinzu: „Hab' oft reden hören von euch. „Dank euch, edles Fräulein,“ sagte Herwick mit der ganzen Unbeholfenheit, deren er sich der Frauen gegenüber be¬ fliß, „bin ein recht schlichter Mann, 17 wünsch' euch aber, ihr mögt euch recht wohl befinden bei uns, und so ich euch dienen kann, bin ich allzeit bereit.“ „Da seht ihr's, edles Fräulein, an autem Willen fehlt es uns gewiß nicht, meinte Herr Gerung, „doch jetzt zu euren Befehlen!“ Das Fräulein von Weitenegg und Meginhalm berichteten nun, weswegen sie sich an Herrn Gerung gewandt hat¬ ten, was der Landesmarschall benützte, sich zu entfernen. VII. Beim heutigen Schnallentor stan¬ den zur Zeit, in welcher diese Erzählung spielt, nur einige kleine Häuschen, an die Umfassungsmauer ge¬ lehnt, die daselbst wohl mehr zum Zwecke einer Burgfriedensabgrenzung des Städtchens nach dieser Seite hin, als zum Schutze, sich hinzog. Die kleinen Häuschen hatten die ärmsten Bewohner der Stadt im Be¬ sitze, wohl auch hie und da Leute, die eben sonst nicht ganz zu den Geachtetsten in Bezug auf Ehrlichkeit zu zählen wa¬ ren, daher dieses Stadtviertel sich kei¬ nes sonderlich guten Rufes erfreute und gerne gemieden wurde. Eine der kleinsten und unscheinbarsten der elenden Hütten bewohnten zwei jü¬ dische Familien, die einzigen in der Stadt, sie mochten zusammen etwa vierzehn bis sechzehn Personen zählen und waren, wie es in der damaligen Zeit üblich war, nur geduldet, das heißt, der Jude hatte hohe Abgaben zu zahlen, durfte nirgends mitsprechen und erhielt dafür moralische und phy¬ sische Püffe die schwere Menge. Dafür rächte sich der getretene Mann aus dem auserwählten Volke, indem er darnach trachtete, Geld und Gel¬ deswert zu erwerben, denn nur im Be¬ sitze dieses Zaubermittels und in dessen richtiger Anwendung konnten sich die Leute durchs Leben schlagen. Eine dieser jüdischen Familien hatte als Haupt einen Greis, hoch an Jahren. Der alte 9
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