Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1915

wohl nicht, daß wir ihn und seine Fa¬ milie am Hofe zu Steyr sahen.“ Meginhalm war unruhig hin und hergetrippelt, als sein Bruder sich des Ritters und dessen Gemahlin so an¬ nahm, und sagte mit etwas unstetem Blicke: „Nun ja, doch die Alten, aber die Mechthild, die —“ „Ah so, das ist was anderes,“ meinte Gerung, den die Verlegenheit seines Bruders zu ergötzen schien. „War im¬ mer etwas hochnasig. St. Petrus! Ist ja ein blutjunges Ding. Wie alt ist sie doch gleich? — Hm, neunzehn Jahre glaub ich — ja, das wird stimmen, du kamst eben hieher als Troßbube an den Hof, als ihre Mutter sie dem braven Weitenegger, der sich hier in Steyr da¬ mals befand, zum Christgeschenk machte Ist ein schmuckes Fräulein geworden, nach der manches Ritters Augen freund¬ lich blicken werden — die deinen auch, was?“ Meginhalm sah bei den Worten seines Bruders riesig unbeholfen aus und wußte nicht, was schnell antworten. Zu seinem Glücke öffnete sich eben jetzt die auf den Gang führende Tür und ein Knappe trat herein, blieb ein paar Schritte von der Tür herein stehen und sagte laut und vernehmlich zu Ge¬ rung gewandt: „Edler Herr, die Herren, so zu Wien drunten waren, kommen eben die große Treppe herauf — wollen zum Herrn Herzog — vermeld' euch dies und bitte um eueren Bescheid. Herr Gerung sah erst seinen Bruder an, als wollte er sagen: „Kommst mir doch nicht aus, meine frühere Frag' wirst du halt gelegentlich beant¬ worten, keine Sorge deshalb“; dann agte er, sich zu dem Knappen wen¬ dend: „Führe du die edlen Herren nur her¬ ein in den Saal, will gleich beim gnä¬ digen Herrn nachfragen, ob er sie emp¬ fangen kann.“ Dann wandte er sich wieder zu Me¬ ginhalm und sagte lächelnd und nicht ohne kleine Bosheit im Tonfall seiner Worte: „Wie prächtig, daß ihr jetzt alle zum Herzog gehen könnt — gerade jetzt, wo du schon so unruhig ob des langen Wartens bist! Empfange hier die Her¬ ren — ich bin gleich wieder da.“ Und Herr Gerung eilte auf eine Türe zu, hinter der er den Blicken des ihm erleichtert aufatmend nach¬ sehenden Bruders bald entschwand. II. Etwa eine Stunde später kehrten die Mitglieder der in Wien gewesenen Gesandtschaft vom Herzog zurück und verabschiedeten sich von Herrn Gerung. „Nun, wie fandet ihr unsern gnä¬ digen Herrn?“ fragte dieser den Herrn von Stubenberg, der auf den Käm¬ merer zugetreten war und ihm zum Ab¬ schiede die Hand schüttelte. „Ei, wie immer, lebhaft und auf¬ merksam für alles, was wir ihm zu vermelden hatten,“ entgegnete der von Stubenberg, „aber mir will's scheinen, als sei er matter und ruhebedürftiger als sonst, denn er stützte sich beim An¬ hören unserer Botschaft wiederholt fest auf eine Lehne seines Stuhles und holte oft recht tief Atem — Gott sei's ge¬ klagt, daß so ein wackerer Fürst, wie er, so schwächlichen Körpers ist.“ Herr Gerung nickte verständnisvoll so und meinte: „Ei, freilich, aber lang der Geist unseres gnädigen Herrn so frisch und für alles Gute und Er¬ habene so empfänglich ist, wie jetzt, will mir's nicht gefährlich erscheinen, so ihn jetzt körperlich drangsaliert. Ge¬ nehmigt er eure Abmachungen mit dem Babenberger?“ „Ohne jeden Vorbehalt,“ nickte der Stubenberger und zog den festen Man¬ tel, den ihm ein Page umwarf, enger um die breiten Schultern, denn es war bereits November und draußen pfiff

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