2 ergrauten Bart und Haupthaar, wäh¬ rend der jüngere das 26. Lebensjahr überschritten haben konnte. Die Blicke, die ab und zu aus seinen Augen her¬ vorleuchteten, die Lebhaftigkeit seines Mienen= und Geberdenspieles und die hastige Sprache verkündeten den Mann von lebhaftem Temperament, und sein oft rasches und auch sonst sehr beweg¬ tes Gestenspiel ließen auf ein leicht erregbares Gemüt schließen, doch mil¬ derte die Offenheit, die ihm aus dem Gesichte sprach, sowie der treuherzige Blick seiner blauen Augen sofort den ersten Eindruck und gewannen ihm rasch die Zuneigung aller jener, die ihm das erstemal gegenüberstanden. Trotz des Altersunterschiedes erkannts man die Beiden sofort als Geschwister: Gerung, der ältere der Beiden, und Meginhalm, der Feuerkopf, waren Brü¬ der. Sie waren von niederem Adel und ihre Burg stand in Schachen in den Rottenmannertauern, wo ihr Geschlecht seit uralten Zeiten seßhaft war. Sie waren Ministeriale*) des Herzogs und Gerung lebte als Kämmerer seit vielen Jahren am Hofe, während Meginhalm dem engeren Gefolge Ottokars VIII. erst seit einem Jahre angehörte. Beide standen hoch in der Gunst des jungen Fürsten. Gerung durch seine Ruhe und Erfahrung, Meginhalm durch sein heiteres, stets williges Benehmen dem oft recht launenhaften fürstlichen Herrn gegenüber. Aber sowohl Gerung als auch Meginhalm liebten ihren jungen Herrn mit jener aufopfernden Hingabe, die man nicht allzuoft an den Höfen der Fürsten findet, es war die selbst¬ lose Untertanentreue, die ihnen das Herz des Fürsten gewann und diese zwei Ministerialen so zu einflußreichen Per¬ sonen am Hofe gemacht hatte. Meginhalm war vor wenigen Stun¬ den aus Wien vom Hofe des Baben¬ bergers Herzog Leopold VI. von Oester¬ reich gekommen, wohin er nebst an¬ deren Herren von Herzog Ottokar VIII. *) Hofbeamte. von Steyr in wichtigen Angelegenheiten gesandt worden war und wollte seinem Gebieter über den Erfolg seiner Sen¬ dung berichten. Gerung, der den Bru¬ der herzlich begrüßte, hatte demselben abgeraten, jetzt zum Herzog zu gehen. „Unser gnädiger Herr ist leider wie¬ der einmal nicht wohl,“ sagte er zu dem Bruder. „Du weißt, das ist seit Jahr und Tag nichts Seltenes. Heute ist er besonders matt und hat mir be¬ fohlen, dafür Sorge zu tragen, daß er in der ihm nötigen Ruhe nicht gestört werde. Gedulde dich also ein Stündchen und erzähle mir indes, wie es am Hofe der tapferen Babenberger zu¬ geht. Hab' lange das schöne Wien nicht gesehn!“ Und so waren die Brüder in eine Fensternische getreten und Meginhalm erzählte in seiner lebhaften Weise, während Gerung, angelehnt an das Fensterbrett und die Arme über die mächtige Brust gekreuzt, ihm aufmerk¬ sam zuhörte. „Herzog Leopold war, wie immer, höchst gnädig,“ sagte Meginhalm unter anderem, „aber er ist doch der echte Babenberger; gleich unnahbar und fest, wenn er glaubt, daß etwas wider seine Hoheitsrechte verstößt.“ „Wie meinst du das?“ fragte Ge¬ rung mit Befremden im Blick und Sprache. „Wer soll sich denn an seine Hoheitsrechte heranwagen? Doch nicht unser gnädiger Herr, welcher die Sanft¬ heit und Friedfertigkeit selber ist?“ „Ei, nicht so,“ entgegnete Megin¬ halm abwehrend, „aber wir, Herr Gundacher von Steyr, Gerung von Strachen,*) Graf Wolf zu Hunebürg, Herr Ulrich von Stubenberg**) und ich, so mit ihm von wegen der Mit¬ gift seiner Tochter Agnes, der Braut unseres hohen Herrn, verhandelten haben's wohl gemerkt, daß er ein Her¬ zog ist. Da gab es von Seite Leo¬ polds viele „Wenn“ und „Aber“. da *) Ministeriale am Hofe zu Sterr. **) Steierische Adelige am Hofe Ottokars VIII.
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