Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1914

226 aktes zu geben, der der Waffen¬ fabrik eine Entschädigung von 200.000 Kr. im Falle des Nicht¬ ustandekommens eines Landesge¬ setzes wegen Verkaufes des Scha¬ cherlehnergutes sichert. 2. Der Gemeinderat wolle ferner zum Vollzuge der vorstehenden Be¬ schlüsse und zur Unterzeichnung der be¬ treffenden Aktenstücke den Bürger¬ meister, sowie die Gemeinderäte Erb undKirchberger ermächtigen. Diese Anträge wurden einstim¬ mig angenommen. Zum Schlusse erklärt der Herr Bür¬ germeister noch, daß man mit der An¬ nahme dieser Anträge in der Waffen¬ fabriksfrage einen großen Schritt vor¬ wärts gekommensei. Nunmehr liegt von Seite der Stadtgemeinde kein Hin¬ dernis der Durchführung der Verlegung der Waffenfabrik vor. Es ist ja richtig, daß die Stadtgemeinde schwere Jahre vor sich haben wird durch Belastungen, welche durch die Verträge teilweise her¬ beigeführt werden. Stelle man ich aber vor, die Waffenfabrik wärevoll¬ ständig von Steyr weggekommen. Die Waffenfabrik zahle heute allein eine Ulmlagensumme von mehr als 100.000 Kr. Diese Umlagenzahl wird sich vor¬ aussichtlich in den nächsten Jahren er¬ höhen. Man würde in erster Linie mehr als diese Hunderttausend Kronen an Umlagen verlieren. Mit dieser Summe wäre es aber nicht abgetan denn wenn die Waffenfabrik verlegt wird, so kommen auch die Arbeiter von hier weg, daher naturgemäß auch die Bierumlage, Hauszinssteuer, Zinsheller usw., eine bedeutende Verringerung, die Armenlasten jedoch eine beträchtliche Er¬ höhung erfahren würden. Man habe jetzt eine Tatsache vor sich, nach der lange erfolglos gestrebt wurde, nämlich eine Erweiterung des Stadtgebietes und dadurch die Mög¬ lichkeit, zu der immer schwankenden Tendenz der Waffenfabrik neue bestän¬ dige Industrien herzubekommen. Red¬ ner glaubt, durch das Verbleiben der Waffenfabrik Steyr eine neue, glück¬ liche Zukunft voraussagen zu können, was wirallevonHerzen wün¬ chen. (Bravorufe. Großer Beifall. Nach vielwöchentlichen Beratungen und Verhandlungen zwischen den Vertre¬ tern der Waffenfabriks=Ges. und der Stadt Steyr und nach der vorher er¬ wähnten Gemeinderats=Sitzung, fanden demfür an die Geschichte Steyrs und der Waffenfabrik so denkwürdigen 1. Mai 1913 von halb 9 Uhr vormittags bis 7 Uhr abends die Schlußberatungen statt. Für jeden der daran beteiligten Vertreter wird dieser Tag und seine Begleitumstände unvergeßlich bleiben. Schon um halb 9 Uhr vormit¬ tags hatten sich die Vertreter der Waf¬ fenfabrik: Herr Verwaltungsrat Baron von Buddenbrock, die Herren Di¬ rektoren Dr. Oskar Pollak und O. Schönauer, sowie Ingenieur Alois Zwicker und die Vertreter der Stadt¬ gemeinde Steyr, die Herren Bürger¬ meister Julius Eschaider und die Gemeinderäte Prof. Leop Erb und Franz Kirchberger in der Kanzlei des Herrn k. k. Notars Adolf Ritter von Weismayr eingefunden, um die endgültige Tertierung und Fertigung der Verträge und sonstigen Urkunden vorzunehmen. Leider erlitten diese Ver¬ handlungen eine bedauernswerte Unter¬ brechung durch das schwere Schadenfeuer im Objekt IX der Oesterr Waffenfa¬ brik, welches auch eine mehrstündige Besprechung dieses Unglückes in derDi¬ rektionskanzlei der Oesterr. Waffenfa¬ brik zwischen obgenannten Herren und noch anderen Gemeinderäten der Stadt Folge hatte zur Um 5 Uhr abends wurde wieder in der Notariatskanzlei an die Ueber¬ prüfung sämtlicher Vertragsstücke und Fertigung der Arkunden und Verhand¬ lungsschriften gegangen. Als Vertreter der Waffenfabrik zeichneten Herr Verwaltungsrat Baron v. Buddenbrock und Herr Direk¬ tor Dr. Pollak, als Vertreter der Stadtgemeinde, Herr Bürgermeister J. Gschaider und die in der außer¬ ordentlichen Gemeinderatssitzung hiezu gewählten Herren Gemeinderäte Abg. Prof. L. Erb und der Obmann der Finanzsektion Herr Franz Kirchber¬ ger.Knapp vor 7 Uhr abends war die Unterfertigung beendet. Aus diesem Anlasse wurde an Se. Erz. den Herrn Gouverneur Dr. Ru¬ dolfSieghart nachstehendes Tele¬ gramm abgesendet: „Im denkwürdigen Momente der Unterfertigung des Vertrages mit der Oest. Waffenfabrik, fühlen wir uns verpflichtet, Euerer Exzellenz für das der Stadt Steyr bewieseneaußer¬ ordentliche Wohlwollen, welchem hauptsächlich die Erhaltung der Waf¬ fenfabrik für die Stadt Steyr zu verdanken ist, unseren ganz ergeben¬

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