Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1914

entgegen, denn schon mit 1. Jänner 1850 soll die Uebergabe der politi¬ schen Geschäfte an die anstatt der Kreis¬ ämter ins Leben tretenden k. k. Be¬ zirkshauptmannschaften statt¬ — finden. Wenn es wahr ist! Nachdem aber die, in der Konsti¬ tution versprochenen freien Gemeinden, die doch einen großen Teil der poli¬ tischen Amtierung übernehmensollen, noch gar nicht konstituiert sind, so ist es wirklich unbegreiflich, wie die neuen Bezirkshauptmannschaften vom 1. Jän¬ ner an amtieren sollen. Hier besteht also bis dahin noch immer der am 8. Oktober 1848 gewählte Gemeinde¬ rat aus 30 Gliedern, und daneben der Magistrat. Am 22. Dezember wurde das von dem Milden Versorgungsfonde mit einem Aufwande von 12.500 fl. C.= M. umgestaltete und sozusagen neu er¬ baute städtische Krankenhaus der Plautzenhof) von dem Or¬ den der barmherzigen Schwe¬ stern zum Behufe der ferneren Fort¬ führung der Krankenpflege übernommen. Laut Vertrages vom 5. Juni 1849 sind die Schwestern verpflichtet, die übernom¬ menen 39 Krankenbetten auf 50 zu ver¬ mehren und die erkrankten milden Ver¬ orgungsfonds= und Armeninstituts¬ pfründner, dann die Gesellen des Mau¬ rer= und Steinmetzhandwerkes unent¬ geltlich zu verpflegen. Für die ganze Regie hat ihnen der Fond jährlich den bestimmten Betrag von 2200 fl. C.=M. zu bezahlen. 1350. Am 1. Jänner sollten den gedruck¬ ten Kundmachungen zufolge die neuen Bezirkshauptmannschaften nicht bloß die bisherigen Kreisämter ab¬ lösen, sondern als erste politische In¬ stanzen gänzlich in die Fußstapfen der früheren Distrikts=Kommissariate tre¬ ten. Und wirklich sah man in den er¬ sten Tagen die Herren Pfleger und Distrikts=Kommissäre von allen Seiten 125 mit bepackten Aktenwagen dem ehemali¬ gen Kreisamtsgebäude zufahren. Doch —sie täuschten sich, denn es konnte ihnen daselbst wegen Mangel an ein¬ geschossenem Personale nichts angenom¬ men werden und sie mußten wieder heimfahren und sollten die politische AmtsverwaltungFuenoch fortführen welches aber die meisten, da sie sich ür inkompetent halten, wohl bleiben lassen; und so herrscht jetzt in poli¬ tischer Hinsicht auf dem Lande komplette Anarchie. Die Ursache ist, daß man die Gemeinden nicht zuerst organisiert und ihren Wirkungskreis bestimmt hat. Ende Jänner sind Enns und Steyr zugefroren, so weit das Auge reicht. Am 1. Februar wurden die neuen Steuerämter eingeführt, der städt. Kassakontrollor Braydawurde Steuereinnehmer. Am 6. Februar wurde ein unter dem Namen Adolf Walter seit vier Wochen hier Nr. 90 in der Stadt wohnhaft gewesener, äußerst gebildeter junger Mann von einem eben mit einem Transporte im Marsche von Vorarl¬ berg nach Ungarn hier eingetroffenen Oberleutnant vom Linien=Inf.=Reg. Feldmarschall Schwarzenberg im Gast¬ hause „zur goldenen Krone“ als er eben mit dem hiesigen Stationskom¬ mandanten Artilleriemajor Okowalsky spielte, zufällig als Hochverräter, näm¬ lich als gewesener Generalstabsmajor bei der ungarischen Insurgentenarmee unter Görgey erkannt, und entfloh hierauf schnell, wurde aber von der ihm nach allen Seiten nachgesetzten Polizei in Kremsmünster um Mitternacht einge¬ holt und am nächsten Tage unter gro¬ ßem Volkszulauf hier eingebracht. Er war früher österreichischer Offizier und heißt: Wilhelm Magnus Albrecht. Am 12. Februar wurde er dem Mili¬ tär=Kommando in Enns übergeben. Am 24. März war die pompöse Feier des Konstitutionsfestes u, am 7. wurde der hieher bestimmte Lan¬

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