Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1914

dete sie hier an, wenigstens wurde nichts davon bekannt. Der nichts weniger als radikale Lebzelter Anton Haller, Major des Bürgerkorps, war bereits in seinem Garten auf der Ennsleiten (jetzt Dukartstraße 1) bei der Wachs¬ bleiche, kam, als er das Pferdegetrap¬ pel hörte, unter die Gartentür, schlug sie aber, als er von einem der vor¬ beireitenden Husaren um die Straße nach Steiermark gefragt wurde, ohne Bescheid zu geben, erschrocken wieder zu. Um 1 Uhr nachmittags kamen, lei¬ der zu spät, von Linz her: 248 Mann von Großfürst=Constantin=Infanterie, 32 Mann von König von Bayern=Drago¬ ner, 17 Mann Artillerie mit zwei Ka¬ nonen (Sechspfünder), 6 Offiziere die Artillerie mit brennenden Lun¬ ten, die Kavallerie mit gespanntem Ka¬ rabiner, hier an, besetzten die Plätze jenseits der unteren und oberen Enns¬ brücke, trugen einen Teil derselben ab, errichteten Barrikaden, und die Ka¬ nonen waren auf die Brücke gerichtet. Abends marschierte die Kavallerie und Artillerie zu einem Streifzuge gegen Losensteinleiten ab, kam aber am nächsten Tage wieder hieher. Auch das Schnallentor war mit 24 Mann Infanterie besetzt. Die Nationalgarde mußte mit scharfgeladenen Gewehren bei den Besetzungen und den Streifpatrouil¬ ien stundenweit aufwärts und abwärts der Enns mitwirken. Am 7., um 1 Uhr nachts, kamen zu diesen Truppen noch die 33 Mann Cheveaurlegers, welche bisher in Sier¬ ninghofen gestanden hatten, dazu. Bür¬ ger, Soldaten und Pferde bi¬ vuakierten bei den Brücken und am Schnallentor ganz im Freien und mu߬ ten dort verpflegt werden. Dies dauerte sieben Tage lang bis 11. Juni; al¬ lein es kamen keine Husaren mehr. Diese Husarengeschichte hat der Stadt Steyr in der öffentlichen Mei¬ nung unendlich geschadet, und die Re¬ gierung, besonders aber die jetzt all¬ mächtigen Militärbehörden gegen sich 123 aufgebracht. Anstatt des bisherigen Kreisverwesers Albert Stadler mußte sogleich der Regierungs=Präsidialkommis¬ sär Baron von Schwabenau die Leitung übernehmen. Am 26. Juni wurde der Stadtpfarr¬ meßnerssohn Emil Anton, Feldwebel beim 5. Bataillon, Inf.=Reg. Nr. 59, Großherzog von Baden, wegen einiger unüberlegter Wirtshausäußerungen in Wien standrechtlich erschossen, und bald darauf kam wieder ein Steyrer, der Schlossermeisterssohn Josef Ripp¬ mayr, ein Maler, wegen Ausstellung des Kossuthbildes mit Schub von Wien hier an; kurz, die Stadt Steyr steht im schwärzesten Lichte da. Am 1. Juli kam die Ministerial¬ entscheidung, daß die radikalen hiesigen Nationalgarde=Kommandanten, nämlich der Oberkommandant und der Major der Schützenabteilung, Herr Kreiswund¬ arzt Friedr. W. Arming, welchen überhaupt Steyr nach dem Dichter und fürstlich Lamberg'schen Gerichts=Aktuar Julius Alexander Schindler (unter dem Dichternamen Julius von der Traun bekannt), seinen radikalen Ruf meistens zu verdanken hat, das Ver¬ trauen der Regierung und auch der Gar¬ den verloren, überdies bei der Husa¬ ren=Desertion ihre gänzliche Unfähigkeit zur Leitung militärischer Körper klar an den Tag gelegt haben; daher sie abgesetzt, und der Major der Infante¬ rie (Bürgerkorps) Herr Anton Haller habe einstweilen das Oberkommando zu übernehmen. Es traten nun die radikalen Ele¬ mente größtenteils aus der Garde und der Oeffentlichkeit zurück, ihr Einfluß ist zu Ende. Am 16. August kommen im Fröh¬ lich'schen Hause Nr. 110 am Stadt¬ platze plötzlich die im vorjährigen Ok¬ tober von der Nationalgarde verfertig¬ ten 6948 scharfen Karabinerpatro¬ nen zum Vorschein und mußten noch spät abends unter polizeilicher Eskorte aus der Stadt gebracht werden. Sie

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