Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1914

witterschwüle den höchsten Grad, es reg¬ nete Adressen und Deputationen an den Thron, und am 13. März brach in¬ folge einer Deputation der Studenten an die Stände der Sturm los, die Wut des Pöbels war entfesselt, es gab viele Tote und Verwundete und eine furchtbare Verwüstung an Gebäuden, welche Gräuel auch noch am 14. fort¬ dauerten. Am 14. wurde endlich vom Kai¬ ser Preßfreiheit und Volks¬ vertretung und am 15. Natio¬ nalgarde und eine förmliche Kon¬ stitution verliehen; darauf ausgelas¬ ener Jubel. Auch in Steyr furcht¬ bare Aufregung, Bürgerversammlungen im Rathaussaale, Errichtung einer be¬ waffneten Nationalgarde am 17.; starker Patrouillendienst, verschiedene Arbeiter¬ krawalle, unzählige Pasquille; Sonn¬ tag den 19. Feier des Konstitutions¬ festes. In Italien ist das lomb.=venet. Königreich zu Ende des Monats bereits für Oesterreich verloren, in Berlin blutige Revolution, Krieg droht mit Rußland, Sardinien u. Frank¬ reich ebenso wie Anarchie, ganz Europa scheint sich aufzulösen. Im April ist der König von Sar¬ dinien bereits in die Lombardei ein¬ gefallen, Freischaren ziehen aus ganz Italien und der Schweiz dahin, unser Feldmarschall Radetzky hält die feste Stellung zwischen dem Minicio und der Etsch besetzt. Am 12. April wurde der hiesige Bürgerausschuß durch sechs neue Ausschüsse verstärkt, am 20. war die Wahl der Wahlmänner und am 25. die des Deputierten zur Deutschen in Nationalversammlung der Gewählt wurde Frankfurt. Steyrer Ferdinand Redtenba¬ cher in Karlsruhe. Am 17. Mai Flucht des Kai¬ sers aus Wien nach Tirol. Am 19. Reaktionspredigt des hiesigen Kreis¬ hauptmannes Freiherrn von Hohen¬ 117 bruck in Linz, am 20. hier im Saale des Exjesuitengebäudes ein polnischer Landtag, wobei er mit Schande ab¬ ziehen mußte, hierauf drohende Ruhe¬ törungen, starker Patrouillendienst, am 20. Suspension des Kreishauptman¬ nes, am 21. seine Abreise. Am 26. wieder Revolution in Wien mit zahl¬ reichen Barrikaden. Zu Ende des Monats Mai wurde endlich doch einmal zur Planierung des Wieserfeldes angefangen. Am 14. Juni kam eine zahlreiche Deputation Wiener Studenten u. Bürger von Linz hier an, über 40 an der Zahl, wurden von Offizieren und dem Musikkorps der hiesigen Na¬ tionalgarde (Bürger= und Schützenkorps) im 625 beim Schnallentore empfangen, Triumphe in die Stadt geführt; abends wurden von den Studenten in der Bier¬ halle, und dann im Gastgarten nächst der Promenade, wo die bürgerliche Mu¬ sikbande spielte, feurige liberale, mit¬ unter auch ziemlich eraltierte Reden gehalten, während der Nacht daselbst der Major des Bürgerkorps zur Ab¬ legung des Portepees verleitet, wodurch leider die zwischen beiden Körpern der hiesigen Nationalgarde bestehende Zwie¬ tracht noch vermehrt wurde. Am an¬ dern Tage war große Partie auf den Damberg. Am 16. und 17. waren hier die Urwahlen der 44 Wahlmänner zur Wahl des Steyrer Deputierten zum Reichstage in Wien; am 21. war im Ratssaale die kritische Wahl, die auf den k. k. Berggerichtsassesor Emil Vacano in Klagenfurt fiel. Die radi¬ kale Partei, welche den talentvollen Redner Julius Alexander Schindler haben wollte, überreichte um 11 Uhr nachts dem dirigierenden I. Kreiskom¬ missär eine stürmische Protestak¬ tion. Vom 13. bis 16. Juni furchtbare Revolution der Tschechen gegen das Militär und die Deutschen in Prag, schreckliche Bombardierung der

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