Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1914

112 sohn verstimmte Schwiegervater nicht da Rücksichten zu üben gehabt hätte. Der Wille edler Frauen hat aber eine Eingebung aus höheren Orten und so gelang es auch den beiden Frauen Kunibert herumzukriegen zur besseren Sache, ohne daß er es ahnte, zumal sein Bruder Walther langsam zu ge¬ funden anfieng, durch Gottes Gnade und des verständigen Garstener Klo¬ sterarztes Kunst und Hingebung. Das stimmte Herrn Kunibert denn doch et¬ was weicher und polternd zwar, gab er den Auftrag, den Lärchenwald in Garsten mit den schönsten, keim= und treibfähigsten Stücken aus seinen Wal¬ dungen wieder herzustellen und als er neuerlich die Bestätigung zum obersten Klostervogt in Garsten erhielt und der edle Herr von Schachen, im Auftrage des bereits in fernen Landen abwesen¬ den Markgrafen Ottokar dies obrigkeit¬ licherweise kundtat, bestimmte Herr Ku¬ nibert die Grenze dieses „Unglücks¬ wäldchens“, wie er es nannte, weit über dessen vormalige Linien hinaus und chloß mit dem Kloster Garsten ehrlich einen Frieden. Als nach ein und einem halben Jahre Markgraf Ottokar vom Kreuz¬ zuge heimkehrte, fand er den Lärchen¬ wald in Garsten gut entwickelt und dankte Herrn Kunibert von Sarning gar sehr für dessen Bemühungen um die Erhaltung von Ruhe und Ordnung in den Landen in die Enns hinein. Fräulein Irmgardis aber hatte, in größter Bescheidenheit natürlich, verge¬ bens nach einem jungen, lockigen, rede¬ und schwertgewandten Polheimer aus¬ gesehen, der, zu ihrem Leidwesen, nicht mit seinem Herrn und Gebieter heim¬ gekommen war und wie ihr ihre treue Zofe Wulfhilde mitteilte, kostete deren Schwester Elikke zwar nicht diese Tat¬ sache, aber die damit verbundene Ab¬ wesenheit des Polheimers Leibknappen Kurt ebenfalls manch heimlich verwisch¬ tes Zährlein. So im Anfang Oktober des Jahres 1150 n. Chr. war es, als im Lärchen¬ wäldchen zu Garsten Herr Kunibert dem Abte mit innerer Befriedigung sein Er¬ neuerungswerk übergab in Gegenwart von Frau Alrike und ihres sehr still gewordenen Töchterchens Irmgardis. Die allzeit lustige Zofe Wulfhildis und deren Schwester Elikke fahen und hörten mit eben so wankelmütigen Gefühlen dieser Uebergabe zu, wie das edle Fräu¬ lein Irmgardis. Vom Torturm des Klosters in Gar¬ sten ertönte da plötzlich des Türmers Horn, Ankunft meldend, aber fragend im Ton — wer kam? Und schon nah¬ ten sich zwei Männer, jung, doch lang¬ bärtig und in der Kleidung und Rü¬ stung sehr herabgekommen, wie es also st nach langer, anstrengender und nicht immer gefahrlosen Reise. „Kunrat,“ wollte Fräulein Irm¬ gardis, welche in dem ersten der bei¬ den Männer ihren Ritter erkannte, rufen, allein der sah oder schien seine Dame nicht zu bemerken, er schritt auf den Abt von Garsten und Herrn Kuni¬ bert zu und sagte, nach kurzem, stum¬ men Gruß, auf seinen Begleiter deu¬ tend, der einen dick aufgebauschten Sack, aus dem ein fast dürrer Stamm eines Nadelholzbaumes heraussah, auf dem unter schwerer Last gebeugten Rücken trug: „Die ritterliche Sühne des edlen Herrn Kunibert von Sarning und seines edlen Hauses — wollt euch überzeugen, hochwürdigster Herr Abt!“ Und dabei zog der bärtige Mann aus seinem fleckigen Wams ein schmales, aber dicht beschriebenes Pergament her¬ vor und reichte es dem Abte hin, der es rasch, aber doch genau durchlas. Die Frauen waren herbeigeeilt und horchten Männer sollen in der¬ neugierig zu — lei Dingen auch, nicht von Neugierde, o doch von Wissensdurst befallen wer¬ den und in diesem Falle befand sich Herr Kunibert. „Was soll's?“ fragte er, durch seine Rauhheit seinen „Wissensdurst“ bemän¬ telnd.

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