106 Schachen dem Landesherrn den Unfall im Häuse Sarning und der hohe Herr war ganz einverstanden, daß Herr Ku¬ nibert sogleich zu seinem Bruder ge¬ eilt war, nur meinte er, indem er ein wenig bedenklich das Haupt neigte: „Eine sehr schlimme Sache, jetzt! Der Herr Kunibert kann nun das Kreuz nicht nehmen und ich gedachte den Streit zwischen ihm und Garsten auf diese Weise zu unterdrücken. Die Klag' ist aber ein¬ mal eingebracht und muß beim Gau¬ gericht entschieden werden, zumal der Sarninger, als Vogt von Garsten, schon gar manches auf dem Kerbholz hat. Er muß nun auch vom Kriegszug da¬ heim bleiben und an Stelle Herrn Wal¬ thers das Ennstal in seine Obhut neh¬ so lange wir abwesend sind men□ sehr bös ist für mich das!“ bös, „Ich werde mit der edlen Frau Ulrike vor dem Gaugericht darüber reden, gnädigster Herr,“ sagte der von Schachen, „Frau Ulrike ist ja Miteigen¬ tümerin von Sarning und auf der Garst¬ nerseite, da mag sie über das Lärchen¬ wäldchen leicht ihren Entschluß fassen. „Gut, ja, lieber Schachen,“ nickte ihm der Markgraf Beifall zu, „aber merkt wohl, der Sarninger ist heut groß im Unrecht, ein Vergleich, hab nichts dagegen, ist mir sozusagen recht lieb, hat aber gegen Garsten viel gesündigt, der Sarninger, eine Sühne muß sein, ir¬ gendwie, meinetwegen nur sinnbild¬ lich — will ihm auch nicht wehe tun der Sarninger ist ja ein groß ver¬ dienstlicher Mann für uns und unsere Mark zu Steyr! „Wollen sehen was sich da wird tun lassen,“ versprach der Herr von Schachen, verbeugte sich und verschwand etwas eilig in die Menge hinein, die sich jetzt vor das eichene Holzgitter drängte, welches den Holzaltar abschloß. Innerhalb desselben standen die Aebte von Garsten und Gleink*) mit der Kle¬ *) Ulrich, Abt von Gleink, ein Blutsverwandter des hl. Berthold von Garsten. War Abt von Gleink, ungefähr vom Jahre 1121—1152. Er war als heiligmäßig frommer Mann bekannt und verehrt. risei der beiden Klöster und am Altare lagen schon große Stöße von leiner¬ nen, achteckigen, ziemlich plump geschnit¬ tenen Kreuzen für die Kreuzfahrer als Abzeichen. Der Abt von Gleink hielt eine be¬ geisterte und begeisternde Ansprache an das Volk, schilderte die Notlage des heil. Landes und die Verwüstung der heil. Stätten daselbst und forderte zur Teilnahme am Kreuzzuge auf und schloß mit der flehentlichen Bitte: „Christus, der Herr, hat das Kreuz — nehmt auf sich genommen für uns das Kreuz auf euch für ihn und folget ihm nach hier auf Erden und dereinst in den Himmel, — auf, ihr Edlen, auf ihr wehrfähigen, waffengeübten Männer und tretet ein als Streiter für den heil. Glauben: Gott will es!“ Der greise Priester hatte mit solcher Hingabe und solcher Ueberzeugung in sei¬ nen Worten, in seiner ganzen Haltung, in seinen Mienen und Gebärden gespro¬ chen, daß alle es ihm ansahen, daß er ehr¬ lich das wirklich meinte, was er sprach und daß es ihm wohl leid tat, nicht selbst am Zuge ins heil. Land teil¬ nehmen und seine aufmunternden Worte auch für sich in die Erfolg bringende Tat umsetzen zu können. Die Zuhörer hatten mit immer sich steigernder Er¬ regung, immer größer werdender Be¬ geisterung den erhebenden und erhabenen Worten, die wie glänzende Perlen die¬ sem redegewandten und sprachgeübten Munde entquollen, gelauscht. Als der Redner endete, durchbrach draußen die Sonne das düstere Gewölk der Char¬ woche und die leuchtenden Strahlen der¬ elben durchblitzten die färbigen Fen¬ stertafeln, irrten, wie suchend nach einem festen Halt, in den Räumen der halb¬ dunklen Kirche umher, huschten über die Gold= und Silber= und Edelgestein¬ Schmucksachen der Frauen und Mäd¬ *) „Gott will es!“ war die Losung und das Feld¬ geschrei im ersten Kreuzzug im Jahre 1096 und blieb der Kampfruf der Kreuzfahrer auch in den nachfolgenden Zügen. Die Kreuznahme vom Altare weg ist wohl als die idealste Anwerbung von Kriegsvolk zu betrachten, die es in der Geschichte gibt.
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