Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1914

104 „Ei, Närrchen, wer wird denn all¬ zeit vorerst an das Schlimme denken?“ scherzte der Knappe, aber seine Stimme zitterte doch und das zum Zeichen, daß auch er der Sorgen um die Zukunft sich nicht entschlagen konnte, „sei nur stark, denk an mich und bet' für mich Gottes Schutz ist mir sicher, glaub —. es mir Er küßte das Mädchen leicht auf die Stirne. In diesem Augenblicke trat in den Rahmen der Kirchentür ein junger Ritter, den Helm in der Hand, das Schwert unter dem Arm und seine Blicke irrten suchend durch den Hof. „Mein Herr,“ sagte der Knappe leise zu dem Mädchen und beide blickten scheu zu dem Ritter hinüber, der das junge Paar noch nicht bemerkt hatte, „leb’ wohl, mein Lieb' auf Wiedersehen! Gott mit dir und deiner Mutter!“ Gott mit dir, Kurt,“ flusterte das Mädchen, reichte ihm die frischen Lip¬ pen zum Kusse und schlug dann andächtig über ihn das Zeichen des heil. Kreu¬ zes, „kehr' glücklich heim! Noch einen Augenblick sahen sich die jungen Leutchen selig, tief unglücklich zagend und hoffnungsfreudig in die Augen, ein Händedruck und Kurt eilte um den Baum herum und trat, wie zufällig daherkommend, auf seinen Herrn zu, Elikke aber drückte sich scheu durch das Gebüsch und gewann, vom Ritter ungesehen, die große Klosterpforte, von wo sie, bedächtig und wie eben an¬ gelangt dahin, durch die seitliche Kirchen¬ tür in das Innere des Gotteshauses eintrat und sich zu den Andächtigen ge¬ sellte. IV. Dem jungen Rittersmann war es gar nicht eingefallen, im weiten Klo¬ sterhofe herumzusehen, ob da jemand anwesend war oder nicht, er hatte sei¬ nen Leibknappen gesucht und war zu¬ frieden, daß er ihn so rasch gefunden hatte, denn Kunrat von Polheim hatte für seinen Diener einen gewichtigen Auf¬ trag, wenigstens für ihn selber eine Sache von großer Wichtigkeit und auch für ein anderes Menschenkind hochwichtig und dieses war seine Verlobte, die schöne, herzensgute Irmgardis, des grimmen Herrn von Sarning liebreizendes Töch¬ terlein, das dem jungen Polheimer gar wohl geneigt war und eine Polheime¬ rin zu werden nicht für das Schlimmste hier auf dieser Erde hielt. Das war nun freilich seit heute früh eine ziemlich aussichtslose Sache denn der junge Polheimer hatte es sich mit Irmgardis' Herrn Vater durch die abfällige Bemerkung über den Brand des Lärchenwäldchens vor Garsten ganz gründlichst verdorben und die Aeuße¬ rung des alten Sarningers gegenüber dem von Schachen hatte er auch schon erfahren. So wollte er nun dem edlen Fräulein Irmgardis auf irgend eine Weise wissen lassen, daß er den Mut nicht sinken lasse deshalb und auch fer¬ nerhin in treuer Minne zu ihr halte. Wenn sich aber zwei Liebende verstän¬ digen wollen ob solch wichtiger Post geschieht dies natürlich immer auf dem ungeradesten Wege und jeder auch nock so große Umweg dabei ist ihnen will¬ kommener als das kürzeste Sträßlein, dieweil ja jede Lieb gern so viel Hinder¬ nisse hat auch dort, wo gar keine da sind. Statt nun den grimmen Sarninger selber ein wenig zu bereden und seine von dem beanständeten Worte richtig zu stellen, sollte das edle Fräulein Irm¬ gardis den Schutzengel in der eigenen Sache spielen, denn ihr Herr Vater hielt gar viel auf sein schönes Töchterlein und Herr Kunrat von Polheim wollte also so um Hilfe und Vergebung der gar argen Sünde, anderer Meinung ge¬ wesen zu sein als sein zukünftiger Herr Schwiegervater, ganz ergebenst bitten. Selber wollte er nicht reden, so ein wenig Trotz und Stolz ist jungen Män¬ nern gewöhnlich eigen und nicht mit Unrecht, so sollte denn die Botschaft an Fräulein Irmgardis durch die Vermitt¬

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