Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1914

100 wo der selige Abt Berthold so gern im Gebete versunken geweilt, im kühnen Gedankenflug mit euch und den eueren, gnädigster Herr, im gelobten Lande wir zu verweilen gedachten. Und —77 nun „Und nun?“ fragte der Markgraf, der aufmerksam zugehört hatte und seine Mienen verdunkelten sich zusehends „ihr sprecht fort mit „war“ und sind „gewesen“, was heißt das, Herr Abt? „Das Wäldchen ist auch gewe¬ sen,“ sagte der Abt traurig, „heute früh, noch vor Tagesanbruch, ist es ein Raub der Flammen geworden, samt dem Bilde der Arche Noahs und zusammen¬ gestürzt ist der Fels, auf dem sie stand — wüst und öde ist der Platz, das Wäldchen eine rauchende Trümmerstätte.“ „Trauriger Zufall das,“ meinte der Markgraf, „oder ist Absicht dabei im Spiele?“ „Leider ist es das letztere, gnä¬ digster Herr —“ „So wendet euch an eueren Kloster¬ vogt, Herr Abt,“ sagte Ottokar etwas unmutig, „ich menge mich nicht gern in Dinge, die von meinen Dienstman¬ nen zu, besorgen sind — der edle Herr Kunibert von Sarning ist euer Vogt und in der Sache auch der Richter.“ „Wohl, gnädigster Herr, aber der edle Herr von Sarning selber ist der Täter, er hat das Wäldchen in Brand stecken und durch seine Knechte niederlegen lassen, was vom Holze noch aufrecht stand —“ „Herr Abt, ihr beschuldigt einen meiner stolzesten Adeligen,“ sagte der Markgraf jetzt streng, „bedenket wohl, — was ihr sagt, müßt ihr beweisen können Ottokar war aufgestanden und un¬ willig blitzten seine Augen. Auch der Abt erhob sich und in bescheidener, aber auch stolzer Haltung vor dem Mark¬ grafen stehend, erwiderte er: „Ich weiß gar wohl, was ich spreche, gnädigster Herr — Bruder Oswin hier und gar mancher andere waren Zeugen der unedlen Tat des Klostervogtes und er ist nicht unser Freund und hat uns schon gar manchen Schaden zuge¬ fügt, aber, klagen ist unsere Sache nicht lieber Unrecht dulden!“ Der Abt mochte erwartet haben, daß der „Markgraf nun den Bruder Oswin, der an des Abtes Seite stand, näher über das Vorgefallene fragen würde, allein Ottokar schien plötzlich seine gute, wohlwollende Stimmung ver¬ loren zu haben und kurz und schneidend klangen die Worte, die er dem Abt nun zurief: Schon gut, Herr Abt, wir kennen die mißlichen Zustände zwischen Garsten und dem Klostervogte gar wohl und werden da Ordnung schaffen — ihr habt Herrn Kunibert von Sarning jetzt der Brandstiftung bezichtigt, eine schwere Anklage! Wollet dem Herrn von Scha¬ chen das weitere nur recht genau mit¬ teilen, morgen ist nach dem Kreuzzug¬ Hochamte ja ohnehin Gautag in Gar¬ sten, auf diesem, viellieber Herr von Schachen, laden wir den Herrn Abt von Garsten und den Sarninger vor unser Gericht. Gott befohlen, ihr Herren!“ Eine recht ungnädige Handbewegung zum Abschied und der Markgraf eilte hastig von dannen, gegen die Burg zu mit allen Zeichen des Unwillens in sei¬ nem Wesen. Herr von Schachen aber hob ein wenig das Barett, kraute sich verlegen die paar Härchen über der Stirn und sagte, bedächtig, sich nach allen Seiten umsehend, vielleicht deshalb, ob kein Lauscher zugegen war vorhin: „Eine schlimme Sache, Herr Abt und gerade für morgen, wo wir das Kreuz erhalten sollen! Wäret ihr dock früher zu mir gekommen.“ „Wollt es ja,“ fiel der Abt ein, „liefen ja dem gnädigsten Herrn so¬ zusagen in die Hände.“ „Wohl,“ nickte der edle Herr von Schachen, „kommt mit auf meine Stube, ihr Herren, wollen darüber reden und nachdenken, wie sich die ekle Sache wie¬ der in Ordnung bringen läßt!“

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