Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1914

96 verschiedenen der mehr oder weniger inter¬ essanten Republiken Zentral= und Süd¬ amerikas allerhand revolutionäre Bewegun¬ gen und Konflikte ab — sie haben aber ins¬ gesamt für die Weltgeschichte keine Bedeu¬ tung. Einzig von Interesse ist wohl auch diesmal die Enkwicklung der Dinge in der nordamerikanischen Republik Mexiko, eine Entwicklung, die wir an einleitender Stelle schildern und die in dem tragischen Tode des Präsidenten Madero bisher ihren Kul¬ minationspunkt gefunden hat. Während der Berichtsperiode wurden abgesehen von Mexiko und den Vereinigten Staaten von Nordamerika, folgende Prä¬ sidenten amerikanischer Republiken gewählt: Am 15. Juli 1912 in Panama: Porras; am 20. August 1912 in Peru: Schilling¬ hurst; im September 1912 in Paraguay: Don Eduardo Schaerer; am 5. Mai 1913 in Bolivia: Dr. Ismael Montes. Nachdem der am 14. August 1911 an Stelle des vor der Revolution geflüchteten früheren Präsidenten Simon gewählte Präsident der Republik Haiti, Lecomte, am 8. August 1912 bei dem durch eine Explosion herbei¬ — geführten Brande des Nationalpalastes einen tragischen Tod gefunden und da auch dessen Nachfolger Auguste Tancréde an¬ geblich an einem Gifte gestorben war, das ihm noch vor seinem am 12. April 1913 „krankheitshalber“ erfolgten Rücktritt bei¬ gebracht worden sein soll, wurde Senator Michel Oreste zum Präsidenten der Re¬ publik Haiti gewählt. * * * Mitte Mai 1913 haben die Panamakanal¬ behörden den Damm südlich von Mira¬ flores durchbrochen und das Wasser des Pazifischen Ozeans auf eine beträchtliche Strecke in den Kanal eingelassen. Am 6. Jänner 1913 starb in New York Amerikas größter Astronom, Dr. Lewis Swift, im Alter von 93 Jahren. — Am 31. März 1913 starb in Rom der ameri¬ kanische Milliardär Pierpont Morgan im Alter von 75 Jahren. Der Tod dieses Mannes, der in Amerika seit vielen Jah¬ ren auf dem finanziellen Gebiete zu den wenigen wahrhaft Allmächtigen des Dollar¬ kontinents zählte und dessen Hinscheiden darum auch im Wirtschaftsleben der Union eine starke Bewegung hervorrufen mußte, war auch für Europa — und namentlich für dessen Kunstwelt — ein Ereignis von nicht geringerer Bedeutung. So wie er da¬ heim in Amerika, und zwar vorwiegend auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens, alles zu monopolisieren suchte, so wurde er für Europa als Kunstsammler zu einem Faktor von größtem Gewichte. In den letzten zehn Jahren zählte er zu den stärksten und gene¬ rösesten Förderern der Auswanderungvon Kunstwerken aus der Alten Welt. Australien. Am 12. März 1913 wurde in Australien vom Generalgouverneur Lord Denman die Taufe der neuen Bundeshauptstadt Austra¬ liens vorgenommen. Bei der Grundstein¬ legung führte— wir folgen hier einem Berichte des „Neuen Wiener Tagblatt“ der Gouverneur aus, es sei dies der einzige Fall in der Weltgeschichte, daß einem gan¬ zen Erdteile eine gemeinsame Hauptstadt gegeben werde. Die Grundsteinsäule mit dem hochragenden Sockel besteht aus sechs Granitblöcken, die aus den sechs föderierten Staaten der australischen Konföderation herbeigeschafft wurden und also den austra¬ lischen Staatenbund symbolisieren. Die Gattin des Generalgouverneurs, Lady Denman, taufte die Stadt Canberra, ein Name, den ihr schon die Eingeborenen gegeben haben. Canberra liegt in Neusüd¬ wales, etwa 2000 Fuß über dem Meeres¬ spiegel, im Norden der australischen Ge¬ birgskette. Die Lage der Stadt ist eine prächtige; hoch oben ist sie wie eine gigan¬ tische, weitausschauende Wartburg des ganzen Landes. 6.) 8

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