Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1914

schen Inseln. 3. Aufgebung aller Ansprüche auf Kreta seitens der Türkei. Die türki¬ schen Gegenvorschläge waren dagegen fol¬ gende: 1. Das Wilajet Adrianopel bleibt unter der direkten Verwaltung der Türkei. 2. Mazedonien wird in ein Fürstentum umgewandelt, mit Saloniki als Hauptstadt. Es steht unter der Suzerenität des Sultans, jedoch unter einem von den Balkanverbün¬ beten erwählten Fürsten, der vom Sultan ernannt wird. Der Fürst soll Protestant und aus einem neutralen Staate sein. 3. Albanien wird autonom unter der Sou¬ veränität des Sultans und unter einem Fürsten aus der kaiserlich ottomanischen Familie, der für fünf Jahre gewählt wird mit der Möglichkeit der Prolongierung. 4. Alle ägäischen Inseln bleiben türkisch. 5. Die kretische Frage wird von der Kon¬ ferenz nicht behandelt, sondern zwischen der Türkei und den Großmächten geregelt. Da die Türken unentwegt bei der Wei¬ gerung verblieben, Adrianopel abzutreten, □ so entschlossen sich am 5. Janner 1913 die Balkanstaaten zu einem Ultimatum an die Türkei. In einer am 17. Jänner in Kon¬ tantinopel überreichten Kollektivnote der Großmächte wurde der Türkei der Rat er¬ teilt, Adrianopel abzutreten. Eine von der Pforte einberufene Notabelnversammlung „der große Rat“) sprach sich am 22. Jän¬ ner im Sinne des Antrages der Regierung für den Frieden und damit für die An¬ nahme des Vorschlages der Mächte, d. i. für die Abtretung Adrianopels aus. So schien denn alles am besten Wege und der rasche Abschluß des Friedens gesichert zu sein, da trat in Konstantinopel am 23. Jän¬ ner 1913 infolge eines jungtürkischen Staatsstreiches ein plötzlicher Kabinetts¬ wechsel ein. Die in der Tschataldschalinie stehende Armee hatte sich für die Fortsetzung des Krieges ausgesprochen und in dieser Richtung instruierte Delegierte nach Kon¬ stantinopel entsendet; eine beim Prinzen Said Halim Pascha abgehaltene Versamm¬ lung der zivilen und militärischen Leiter des jungtürkischen Komitees hatte sich ebenfalls für die Fortsetzung des Krieges und für eine eventuell auch gewaltsame Entfernung des Ministeriums Kiamil 77 Pascha ausgesprochen. Der tapfere Kom¬ mandant von Adrianopel, Schukri Pascha hatte am selben Tage an das Kabinett Kiamil=Pascha ein Telegramm gerichtet, worin es hieß, da er erfahren habe, daß Adrianopel den Verbündeten werde abge¬ treten werden, habe er beschlossen, die Zi¬ vilbevölkerung aus der Festung zu ent¬ fernen, die Kanonen gegen die Stadt zu richten und diese gänzlich zu zerstören, die bulgarische Belagerungsarmee zu durch¬ brechen und nach Konstantinopel zu kom¬ men. Um ½4 Uhr nachmittags des König Konstantin von Griechenland. 23. Jänner 1913 veranstaltete endlich der rühere Deputierte Rittmeister Dschami=Bei an der Spitze von etwa 300 Softas vor der Pforte eine Demonstration, während welcher Talaat Bei, einer der Oberhäupter des jungtürkischen Komitees, und Enver Bei, einer der Helden der ersten jungtürki¬ schen Revolution, der tapfere Kämpfer ge¬ gen die Italiener in Tripolis, in den eben versammelten Ministerrat eindrangen und den Rücktritt des Kabinetts verlangten welcher denn auch prompt erfolgte und vom Sultan sofort unter gleichzeitiger Ernen¬ nung Mahmut Schefket=Paschas, des vor kurzem zurückgetretenen Kriegsministers des letzten jungtürkischen Kabinetts, zum Gro߬ wesir, Izzet=Paschas zum Kriegsminister und Talaat Beis zum interimistischen Mi¬ nister des Innern angenommen wurde Mahmut Schefket=Pascha war der eigent¬

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