Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1914

76 von Skutari an die Montenegriner, von Monastir — das aber inzwischen bereits in die Hände der Serben übergegangen war an diese und von Adrianopel an die Bulgaren; Einstellung aller Truppen= und Munitionssendungen nach der Tschataldscha¬ Be¬ linie, Verpflichtung, hier keine neuen festigungen zu errichten. Diese Bedingungen wurden aber von der Türkei abgelehnt, so daß eine bei der Tschataldschalinie be¬ gonnene, und wie allseitig bestätigt wurde, für die Bulgaren bis dahin nicht gerade sehr günstige Schlacht wieder aufgenommen wurde. Trotzdem gelang es aber doch, am 3. Dezember den Abschluß eines Waffen¬ stillstandes zwischen Bulgarien, Serbien und Montenegro einerseits und der Türkei anderseits mit dem Recht einer 48stündigen Kündigung herbeizuführen, während Grie¬ chenland dem Waffenstillstand ferne blieb Im Waffenstillstandsprotokoll wurde zu¬ gleich der Tag für den Beginn der in Lon¬ don abzuhaltenden Friedensverhandlungen auf den 13. Dezember 1912 festgesetzt. Fast zu gleicher Zeit hatten sich, durch den Balkankrieg hervorgerufen, in Europa eine Reihe wichtiger Ereignisse vollzogen, die für die Erhaltung oder Nichterhaltung des europäischen Friedens von großer Be¬ deutung sein mußten. Das von Österreich=Ungarn und Italien geforderte unabhängige Albanien begann bereits greifbare Gestalt anzunehmen; in Valona wurde am 28. November von alba¬ nischen Delegierten die Unabhängigkeit Albaniens proklamiert und hier wie in Durazzo gleichzeitig die albanische Flagge gehißt. Am 6. Dezember erfolgte dann in Valona die Konstituierung der albanischen provisorischen Regierung unter dem Prä¬ sidium Ismael Kemals=Bei. Der von Frankreich früher angeregte Ge¬ danke einer europäischen Konferenz zur Schlichtung der Balkanfragen wurde von England in der Gestalt aufgenommen, daß an die Stelle der Konferenz der Staaten eine Botschafterreunion treten sollte und dieser Vorschlag fand die Zustimmung der übrigen Großmächte. In dem Verhältnis zwischen Österreich¬ Ungarn und Serbien war infolge bös¬ artiger Provokationen Serbiens eine bedenk¬ liche Spannung eingetreten; zudem sam¬ melte Rußland an Österreichs Grenzen große Truppenmassen an, was Österreich¬ Ungarn, das bereits an seiner Südgrenze mit Rücksicht auf den seine Interessen be¬ drohenden Balkankrieg zu militärischen Maßnahmen schreiten mußte, veranlaßte, Gegenmaßregeln an der russischen Grenze zu treffen. Diese Umstände hatten den Aus¬ bruch einer europäischen Konflagration in bedenkliche Nähe gerückt, zum Glück gelang es dann später, Serbien zu einer entspre¬ chenden Genugtuung zu veranlassen und anderseits infolge des direkten Eingreifens des Monarchen Österreichs auch die mili¬ tärischen Maßnahmen an der Grenze Ru߬ lands beiderseits rückgängig zu machen. Nach dieser notwendigen Unterbrechung wollen wir in unserer Kriegschronik fort¬ fahren: Am 16. Dezember wurden in Lon¬ don die Teilnehmer der Friedenskonferenz durch Sir Edward Grey begrüßt, woran sich die Eröffnung der eigentlichen Ver¬ handlungen anschloß. Die Bedingungen der in der Konferenz vertretenen Balkan¬ staaten — denen sich später auch Griechen¬ umfaßten folgende Punkte: land anschloß — Vollständige Abtretung Mazedoniens und des Epirus, Übergabe von Adrianopel, Skutari, Janina und deren Umgebung, Abtretung Thraziens bis zur Linie Midia am Schwarzen Meer und Enosbusen am Agäischen Meer, Abtretung Kretas und mindestens der besetzten ägäischen Inseln Autonomie des mittleren Albaniens unter einem von der Türkei unabhängigen moha¬ medanischen Gouverneur, Annexion der nördlichen und südlichen Teile Albaniens durch die Verbündeten. In allgemeineren Umrissen wurden diese Bedingungen dann dahin zusammengefaßt: 1. Abtretung des ganzen Territoriums östlich von der Linie, welche von einem Punkt westlich von Ro¬ dosto am Marmarameer zu einem Punkt in der Bai von Malatra am Schwarzen Meer führt und die Halbinsel Gallipoli ausschließt. In diese Abgrenzung ist auch Albanien inbegriffen. Die Entscheidung über dieses Land wird jedoch den Gro߬ mächten vorbehalten. 2. Abtretung der ägäi¬

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