Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1914

Bande zu schnell verschwunden war. Aber es würde zu weit führen, wenn ich die weiteren Schicksale des Pech¬ vogels, der ein guter Mensch war und blieb, schildern wollte. Nur zwei be¬ sondere Merkmale will ich hervorhe¬ ben, die genügend dartun werden, daß Hans noch auf Jahre hinaus mit Pech versorgt war. Und das war so: Hans lernte später ein gutes, fleißi¬ ges Mädchen kennen, das bei reichen Leuten diente und sich schon ein gutes Stück Geld gespart hatte. Das kräf¬ — tige Mädchen gab ihm gern das Ja¬ wort, und da sie beide in dem Alter waren, in den Stand der Ehe ein¬ treten zu können, so wollten sie so bald wie möglich heiraten. Sie woll¬ ten nur so lange warten, bis sie noch 200 Mark mehr gespart hätten, also nur noch einige Monate. Da trat für Hans ein Glücksumstand ein, der ihm ein sofortiges Heiraten und sogar das Ankaufen eines guten Geschäftes er¬ sein Pech möglicht hätte, wenn — nicht gewesen wäre. Er gewann näm¬ lich in der Lotterie 10.000 Mark und war überglücklich. Noch ehe er seinen Gewinn bar in der Tasche hatte, des¬ ließ sen Auszahlung sich verzögerte, und er sich zur Heirat anschreiben An¬ trat in Unterhandlung wegen kaufs besagten Geschäftes ein. Glück¬ licherweise sagte er nicht sofort fest zu, und das war sein Glück, denn noch am nämlichen Tage wurde die Zie¬ hung der Lotterie umgestoßen und Hans ging später leer aus. Dagegen nahm die Heiratsgeschichte ihren 1 regelmäßigen Fortgang. Hans mochte seiner Braut es nicht antun, daß sie nun noch zurücktraten, und so heira¬ teten sie denn. Die junge Frau war aber sehr tüchtig und wußte gut zu wirtschaf¬ ten, auch verdiente sie ziemlich viel Geld als geübte Büglerin, während 63 er zwar nicht als Schuhladenbesitzer, aber doch als Flickschuster sich durch¬ chlug. Er tröstete sich also mit seinem gewohnten Pech und dachte bald nicht mehr an die traurige Lotteriege¬ schichte. Er war nämlich kein Grübler und vergaß unangenehme Sachen ziemlich schnell. Was ihm aber bald darauf vor¬ kam, raubte ihm für lange Zeit seinen Gleichmut, und es wäre manchem an¬ dern ebenso gegangen. Eines Tages stellte sich eine ganz verwahrloste alte Frauensperson bei den Eheleuten ein, die sich als Käth¬ chens, der jungen Frau, Mutter vor¬ tellte, welche Behauptung sie durch einen alten, zerrissenen Trauschein er¬ seine härten konnte. Hans dem Braut in gutem Glauben gesagt den hatte, sie sei elternlos, fiel fast auf Das breiten Rücken vor Schrecken. Sie 2 war eine schöne Bescheerung! konnte die alte, arbeitsunfähige Frau nicht vor die Türe setzen, sondern mußten sie ernähren und kleiden und dazu noch ziemlich hohe Kosten für einen Aufenthalt in einem Hospital bezahlen. Die Frau, die übrigens vor Jahren von ihrem Manne ausge¬ rückt und seitdem verschollen gewe sen, stif¬ war gar nicht dankbar, sondern ster tete häufig Unfrieden, so daß Mei sie Hans erleichtert aufatmete, als nach zwei Jahren das Zeitliche seg¬ nete, und er von dieser Last befreit wurde. Er hatte nämlich nun schon zwei Kinder und war froh, nicht noch — eine Person ernähren zu müssen. Aber nach diesem letzten Streiche des heimtückischen Schicksals erwartete er nichts gutes mehr, sondern tat still seine Arbeit, zufrieden, daß sie ziem¬ lich gut vorwärts kamen. Woher hätte denn auch ihm das Glück kommen sol¬ len, ihm, dem Pechvogel?

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