Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1914

62 gründung, daß er seinen Sohn auch bei sich zu Hause in diesem Zweige nenschlicherTätigkeit ausbilden könne, indem dazu hinreichend Ge¬ legenheit geboten sei. Hans war nämlich das älteste von neun leben¬ den Kindern. Er wurde nun durch Vermittlung eines Bruders seines Vaters zu einem Meister in der Stadt in die Lehre getan, wo er allerdings im Handwerk richtig be¬ chäftigt wurde, aber auch bald ein¬ sehen mußte, daß ihm sein Pech, dessen er doch genug im Handwerk zur Verfügung hatte, treu geblieben ei. Zum Beispiel sollte er eines Ta¬ ges ein Paar feine Schuhe bei dem der Herrn Baron von Fischer in Estraße abgeben, geriet aber in die Ystraße, wo ihm in dem betreffenden Hause ein feingekleideter Herr die Schuhe bestens dankend abnahm mit dem Bemerken, der Herr Baron werde, am folgenden Tage zahlen. Der Herr Baron schickte zwar am an¬ deren Tage seinen Diener, aber nicht zu diesem Zweck, sondern um zu fra¬ gen, wo denn eigentlich seine Schuhe blieben. Da stellte es sich denn her¬ aus, daß der arme, vertrauensselige Hans einem geriebenen Schwindler zum Opfer gefallen war. Er machte mit dem Knieriemen des erbosten Meisters Bekanntschaft und seufzte: „Ach, das Leben ist doch so hart, und der Riemen ist nicht zart!“ Nichtsdestoweniger kam er im er Handwerk jetzt gut vorwärts, da ein anstelliger Bursche war und leicht begriff. In dieser Hinsicht war der Meister mit ihia zufrieden. Eine Zeitlang ging denn auch alles gut, bis ihm eines Tages etwas vorkam, was ihm einige saftige Orfeigen ein¬ trug und ihm beinahe seine Stelle gekostet hätte. Ein feingeschniegeltes, adendürres Herrchen trat in die Werkstätte, um sich ein Paar bessere Schuhe anmessen zu lassen. Er wurde unter vielen Komplimenten von dem Meister auf ein Dreibein genötigt, wo er seinen rechten Schuh wegen des nötigen Anmessens ausziehen sollte. Daß das Dreibein auf einem Knieriemen stand hatte niemand be¬ merkt. Der unglückselige Hans aber, der hinten, wie andere auch, keine Augen hatte, benötigte gerade in dem Augenblicke den Riemen, als der Herr sich tief bückte. Als Hans Widerstand an dem Riemen fühlte, zog er ziem¬ lich heftig daran, in der Meinung, ein Hammer liege darauf. Der Ruck aber genügte, um den Schusterstuhl und damit dessen derzeitigen Be¬ sitzer umzuwerfen. Der Herr flog in kühnem Bogen in einen Haufen altes Schuhwerk und Handwerkszeug hinein, dabei die Beine hoch in die Luft streckend. Nun hätte der Mei¬ ster zwar das Anmessen bequem im Stehen besorgen können, aber einer¬ seits hielt der Herr die Füße nicht lange genug in die Höhe, anderseits hatte der Meister augenblicklich etwas anderes zu tun. Er verabreichte näm¬ lich dem eigentlich unschuldigen Hans die besagten Ohrfeigen und warf ihn mit dem Bemerken zur Türe hinaus, er möge sich zum Kuckuck scheren. Zwar nahm er auf die Bitte des an¬ tändigen und nicht rachsüchtigen Kunden diesen Beschluß wieder zu¬ rück, aber es dauerte lang, bis wie¬ der gutes Wetter bei ihm eintrat. Hans machte aber bald ein schönes Gesellenstück, das allgemein als gut anerkannt wurde. Und nun wurde er Geselle und erhielt ziemlich guten Lohn, was ihn sehr freute, da er so gern seinen armen Vater unterstützte. Eines Abends kam er ganz spät von einem Bestellgange zurück und wurde in einem Nebengäßchen von drei Burschen angefallen und jämmerlich G verhauen, bis einer rief: „Das ist ich gar nicht der Richtige!“ worauf ert gelegentlichen Pechlieferan die schleunigst entfernten. Seine Prügel hatte unser Hans aber weg, der sich nicht einmal für die reiche Lieferung bedanken konnte, da die liefernde

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