52 nahmen bis zum Abiturientenexamen behauptete. Auch sein übrigens kinderloser Onkel war sehr zufrieden mit ihm, da er stets dienstwillig und bescheiden war und die Bücher immer sorgsam und ordentlich führte. Da sich das Geschäft hob, so war bald keine Rede mehr davon, daß der Vater Schulgeld senden müsse, der Onkel übernahm alles. Größere Sorgen traten erst wie¬ der an ihn heran, als er zur Univer¬ ität abgehen sollte. Lange sprach er mit seinem Onkel nicht davon, aber dieser machte im entscheidenden Augenblick den Hauptsorgen ein Ende. „Du hast nun sieben Jahre lang treulich geholfen,“ sagte er, „so daß ich imstande war, heimlich monatlich etwas auf die Sparkasse für dich zu geben. So werde ich dir einen Zu¬ chuß von monatlich fünfzig Mark enden und vielleicht im Notfall et¬ was Außerordentliches tun können, worauf du übrigens nicht zu sündi¬ gen brauchst!“ über den Schlußsatz lachte er selber laut und kräftig, und der von den schwersten Sorgen befreite Stu¬ dent lachte mit. „Ich hätte gern mehr getan, aber ich muß mir zum Ersatz doch einen Gehilfen einstellen, und da weiß ich nicht, ob's langt!“ fügte er noch bei. Eduard ging zur Universität ab und richtete sich sehr sparsam ein, so daß er von seinem Vater nicht mehr wie mo¬ natlich fünfzehn Mark und nötige Kleidung annahm, damit die Ge¬ schwister nicht in Erziehung und Fort¬ bildung beeinträchtigt würden. Aber auch auf diesen kleinen Zuschuß ver¬ zichtete er, als er nach Jahresfrist eine gering besoldete Hauslehrer¬ stelle fand, die es ihm ermoglichte, sich durchzubringen mit voller Durchfüh¬ rung der Studien. Und denen lag er mit einem Eifer ob, daß von einem Nichtbestehen des Examens keine Rede sein konnte. Und nun war es so weit! Nach reiflicher Überlegung beschloß er, in der Universitätsstadt zu bleiben und gestützt auf gute Befürwortung eini¬ ger Professoren sich da eine Stellung zu schaffen. Er hätte auch nach Hause gehen und da versuchen können, des alten Landarztes Praxis zu überneh¬ men, aber der konnte noch Monate lang, vielleicht noch länger, tätig sein und darauf konnte er nicht warten. Noch ein weiterer Weg war für ihn gangbar. Er konnte zu seinem Onkel zurückkehren und da versuchen, sich Praxis zu verschaffen. Aber verschie¬ dene Erwägungen hielten ihn da¬ von ab. Nach Erlangung der Hauslehrer¬ stelle hatte er den Zuschuß des Onkels sast ganz zurücklegen können, was ihm jetzt zustatten kam. Er hatte sich kein Gewissen daraus gemacht, den Zuschuß anzunehmen, denn er wußte, daß der Onkel ihn leisten konnte. Allerdings hätte er aus Stolz gern darauf verzichtet, aber eine innere Stimme hatte ihn immer zurückgehal¬ ten, so oft er einen bezüglichen Brief hatte schreiben wollen. So richtete er sich denn ein, und zwar in Erwartung baldigen Ver¬ dienstes einigermaßen fein, was er auch seinem Stande schuldig zu sein glaubte und war. Aber der Jünger Askulaps hatte Muße, die Fliegen an der Wand zu zählen, man begehrte seine Hilfe nicht. So legte er sich die ersten Tage auf das Kanapee und gab ich dem Dolce far niente hin, wobei ihm die lange Pfeife wirksam Beihilfe leistete. Aber diesen Zustand hielt er nur etwa acht Tage lang aus, dann sprang er eines Morgens auf und be¬ gann sich zu beschäftigen. „Ohne Beschäftigung kann ich nun einmal nicht sein, und erholt habe ich mich nachgerade genug!“ Er setzte sich hin, suchte den Rest des beim Examen benützten Papiers hervor und begann eine Abhandlung über eine Kinderkrankheit zu schreiben,
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