Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1914

Flott und fleißig. Erzählung von Emil Beßer. (Nachdruck verboten.) ließen. Nach seinem zwar sauber ge¬ zus den Räumen des Gym¬ haltenen, aber sonst nicht eben sehr nasiums in W. kamen mit E glückstrahlenden Gesichtern seinen Anzuge zu urteilen, war er Odie Abiturienten, dreiund¬ icher nicht reicher Leute Kind. Diese zwanzig an der Zahl, die sämtlich be¬ Ansicht wurde alsbald bestätigt, denn standen hatten. Warum sollten sie sich ein fast mehr als einfach gekleideter auch über ein solches Ergebnis nicht Herr trat auf den jungen Mann zu freuen? Das war doch der Abschluß und fragte: einer jahrelangen, ernsten Arbeit, die „Nun, wie ist's, Erich?“ allen, namentlich aber den minder Be¬ „Mit „Sehr gut!“ in allem be¬ gabten, manche Anstrengung gekostet standen!“ —daß hatte. Ohne Fleiß kein Preis, nun war In dem Antlitze des Vaters er da, der ersehnte Preis! Selten er das war, sah man deutlich an der findet man den gleichen Ausdruck in Ahnlichkeit — zuckte es auf wie in höchster Freude, und dennoch sah es den Zügen einer Anzahl Menschen, auch aus, als ob er weinen wolle, d. h. wenigstens den der Freude. Der zeigt weinen wolle vor Freude, wenigstens der gespannten Erwartung ich schon eher. Wenn z. B. ein Luft¬ wischte er sich mit dem Taschentuche den Schweiß von der Stirne, von schiff sich nähert, dann blickt alles ihm gespannt entgegen. Da wird man dessen Vorhandensein bei dem rauhen nicht viel Unterschied finden. Ebenso Märzwetter man nicht gerade über¬ wird es sein bei einer ganzen Anzahl zeugt zu sein brauchte. Dabei geriet er eine Etage tiefer und fuhr sich Soldaten, wenn der Hauptmann be¬ öfters energisch wischend über die schäftigt ist, einen Sünder herauszu¬ finden, da denkt jeder: Bei wem Augen, was er aber gewiß nicht zeigen schlägt's ein? In diesem Falle hatte, wollte. Aber es gibt ja auch Tränen der Freude, die gewiß nicht so häufig wie gesagt, die Freude einen solchen geweint werden, wie die des Kum¬ Glanz auf die jugendlichen Züge ge¬ zaubert, daß Vorübergehende nur mit mers, des Schmerzes und der Leiden, im Gegenteil, sich zu diesen wohl ver¬ Freude hineinblicken konnten. halten wie ein kleiner Landsee zum „O Menschenherz, was ist dein Glück? Ein rätselhaft geborener Ozean. Freilich, wer den Herrn Regie¬ Und, kaum gegrüßt, verlorener rungssekretär a. D. Adrian Mehl¬ Unwiederholter Augenblick!“ haupt näher kannte, der begriff auch sagt Lenau, und richtig ist's. Nun, ein solcher Augenblick des Glückes war den Zustand, in dem er sich jetzt be¬ fand. Viel zu früh in den Ruhestand den jungen Leuten zuteil geworden. versetzt, und das bei voller Kraft, Unter diesen fiel besonders ein hoch¬ hatte er leider nur ein geringes, zum gewachsener Jüngling auf, dessen größeren Teil von seiner Frau einge¬ Oberlippe bereits ein flotter Schnurr¬ brachtes Vermögen und einige, nun bart zierte. Er war breitschultrig und stark gebaut und doch von einer Leich¬ fast ganz aufgezehrte Ersparnisse. Außer Erich war auch noch dessen tigkeit der Bewegungen, die dauernde Schwester Adele zu versorgen, welche Übung im Turnen usw. erkennen

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