Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1914

bum zurück, das er vor Eva hinlegt. „Bitte, wollen Sie sehen, ob Sie mich erkennen?“ Eva schlägt es auf und sieht es langsam, Blatt für Blatt der Reihe nach an. Ihre Mutter ist vom Diwan aufgestanden und hinter Evas Stuhl getreten, während sich Paul näher herzubeugt, um mitschauen zu können. Das Album ist bereits bis zur Hälfte durchgesehen, da stößt Frau Werner einen leichten Schrei aus und ruft: „Julius...!“ Befremdet blickt Eva zur Mutter empor und fragt erstaunt: „Du kennst diesen jungen Mann?“ Herr Zander neigt sich herüber. „Und Sie kennen mich nicht, Fräu¬ lein Eva? „Was, Sie wären es? Dieser ent¬ zückend schöne Mann?!“ ruft Eva in ungläubigem Ton, und Herr Zänder erkennt jetzt, wie töricht er war, das Bild seiner Jugend zu zeigen, da er ihr doch in seinem Alter gefallen will. Frau Werner aber richtet sich jäh empor — in ihrem Blick, den sie auf Zänder ruhen läßt, liegt Unglauben, das bald in Befremden, Staunen übergeht, und plötzlich stößt sie voll du Verwunderung hervor: „Julius, Sie wären es? Wirklich?“ Und auf sein bejahendes Nicken:„Und Sie kennen mich nicht wieder? Jetzt blickte Zänder verwundert auf sie, sekundenlang, stumm „Sie — entschuldigen ihren nein! Nur in jetzt Augen liegt etwas Bekanntes erst sehe ich es! Aber —“ Mit einem leichten Lächeln sagt Frau Werner: „Eva Schaler!“ —?“ ruft Herr Zän¬ „Was? Eva der. Dann zieht ein tiefes Rot über sein Gesicht und in die Augen kommt ein feuchtglänzender, seltsamer Schein er sieht wunderbar verjüngt aus in diesem Augenblick. Eva, die ihn betrachtet, denkt sich: „Die Röte steht ihm gut, sehr gut, er sieht noch schön aus, aber er ist nicht 39 mehr der Student von damals.“ Dann sagt sie laut: „Ein Bekannter aus deiner Jugend, Mama?“ Wie sie aber auf die Mutter blickt, die jetzt wieder auf dem Diwansitzt, eine und in deren braunen Augen da eltsame Verwirrung bemerkt, enkt sie impulsiv ihre Augen wieder auf das Bild, es betrachtend, und dabei kommt ihr eine Ahnung vom wahren Sachverhalt. Sie springt plötzlich empor. „Ach, Paul, jetzt habe ich ganz vergessen, dir etwas zu zei¬ gen, was heute für mich ankam! Ich kann es nicht gut aus dem Zimmer herübertragen — willst du nicht mit¬ kommen? Und durch einen Blick von ihr zum Verständnis gebracht, folgt ihr Paul aus dem Salon. Frau Werner sitzt eine Weile stumm da, dann sagt sie: „Daß wir uns denn nicht erkannten! Aber frei¬ lich, Sie tragen ja jetzt einen anderen Namen!“ „Einen anderen Namen? Daß ich nicht wüßte! „Aber bitte, Sie hießen damals Julius Werkler. „Ach so! Ja, das war mein Spitz¬ name unter den Kollegen, meiner Vorliebe für Maschinen und Werke wegen. Wußten Sie denn das nicht?“ Und er lachte heiter auf, wobei Frau Werner mit einstimmte. Dann sagte sie: „Ja, Ihr Kollege 0 Theodor stellte Sie mir damals vor und ich hielt den Namen für echt, forschte daher auch nicht weiter nach. So oft wir uns aber sahen, haben wir doch nur den Vornamen erwähnt!“ „Ja, aber dann, als Sie erfuhren, daß ich daß — Eva, können Sie mir verzeihen, was ich Ihnen tat? Zänder hält mit bittender Miene die Hand hinüber und Frau Werner legt ohneweiters die ihre hinein.

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