Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1914

„Gehts euch Weibervolk etwas an, * worübersich die Manner im Ge¬ meinderat streiten? He? — Aber sollen wir lei¬ „Nein! den? .... „Kein Wort mehr darüber. Doch, wenn du absolut einen Mann haben willst, gut, such' dir einen! Aber „Ach Vater. Dann darf also Kurt „Himmel, Hagel, Donnerkeil! Nehmt ihr Weiber denn nie Vernunft an? Man kann reden, was man will, immer kommt ihr auf den alten Punkt zurück. — Immer die alte, im¬ —Mit dem mer die gleiche Leier. Altenhoff, dem jungen und dem alten, bleib' mir gefälligst vom Leibe. Das ist mein letztes Wort in dieser Sache. Und wütend stapfte er an seiner Tochter vorüber, polterte über Flur und Treppe und ging in den Hof und den Garten, um bei seinem Hühner¬ volk und den jungen Pflänzchen in den sauberen Beeten den Zorn ver¬ rauchen zu lassen. * Aus dem offenen Fenster im Ober¬ geschoß der Villa des Rentners Schütte drang lautes Schnarchen in die laue, dunkle Sommernacht. Das Schnarchen brach ab und mit einem noch halb verschlafenen Schrek¬ kenslaut sprang Herr Schütte aus einem weichen Bett. Er zündete die Kerze an, suchte mit schreckhaften Blicken das Schlafzimmer ab, leuch¬ tete in allen Ecken und schließlich unter sein Bett. —Kopfschüttelnd stellte er die Kerze wieder auf das Tischchen. Wie man sich doch täuschen kann! Das Geräusch, das ihn aus seinem Schlaf aufgeweckt hatte, war gewiß nur ein harmloses Traumgebilde. Ein wenig unwillig, doch ganz be¬ ruhigt, wollte Herr Schütte wieder ins Bett steigen. Aber da war ja das offene Fenster! Sollte er es schließen? Seit zehn Jahren, so lange war er 25 ja bald Witwer, hatte er sich daran gewöhnt, bei offenem Fenster zu chlafen. — Doch konnte man wissen? Na, aus Vorsicht mal, beileibe nicht aus Furcht. — Nanu! Wie kam der große Feldstein auf die Fenster¬ bank? Gestern abends lag der nicht — Ganz sicher nicht! Ach, da lag da. ja noch etwas Weißes unter dem Stein. Ein Blatt Papier. Herr Schütte streckte zaudernd die Rechte aus. Furcht? Vor Tod und Teufel nicht! Er zog das Blatt hervor, trat zur Kerze und — las: „Weisester aller Stadtväterchen! Wo viel Licht, da viel Schatten; wo kein Schatten, da kein Licht; aber Petroleumlampen, wie in un¬ seren Straßen. Schlafen Sie wohl, Sie alter Freund einer ägyptischen Straßen¬ beleuchtung. „Himmel, Hagel“, stieß Herr Schutte zornig hervor. „So ne ge¬ meine Bande. Das Blatt flog zusammengeknüllt in eine Ecke und der Stein in weitem Bogen auf das Straßenpflaster, wo er mit lautem Getöse weiterkollerte. Klirrend schlug das Fenster zu. Die Kerze erlosch. Und Herr Schütte warf sich so ungestüm ins Bett, daß es in allen Fugen krachte. Nein, so eine Niederträchtigkeit! Wer? — Wer hatte ihm wohl den Streich gespielt? Ah, irgend einer von den Gegnern im Gemeinderat? Schon — — Ach, nein! Die möglich. und olche Dummheiten? Dazu waren die Aber wer? zu alt und verständig. — —Sein Einer hatte es doch getan. Sinnen war vergeblich. Schließlich schlief er wieder ein. Aber noch im Schlaf verfolgte ihn die Geschichte. Und wieder stritt man sich im Ge¬ meinderat herum. Und zu guterletzt kamen alle die alten, schiefen Straßen¬ laternen auf ihren krummen, verwit¬ terten Pfählen in den Sitzungssaal gehopst, wo sie einen wilden, wahn¬ F innigen Tanz vollführten.

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