Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1914

18 dann verneigen, gegeneinander spricht der Monarch huldvoll die Diplomaten=Damen an, während die hohe Frau sich den Damen des inlän¬ dischen Adels zuwendet. Dieses glanzvolle Bild nimmt der Adjutant Seiner Hoheit des Prinzen Ferdinand, Graf von der Reben¬ burg, in sich auf, der vor Beginn des Tanzes, an welchem er nicht teil¬ nimmt, an einer Säule des Saal¬ einganges lehnt. Sieht es — ohne es eigentlich zu sehen — denn jeder Ge¬ danke, all sein Sinnen und Trachten gehört schon seit Wochen jener elfen¬ kleinen, ätherischen Erscheinung unter dem großen Kronleuchter. Es ist die Prinzessin Gabriele von M..., deren fremdartige Lieblichkeit sie zum ver¬ wöhnten und umschmeichelten Mittel¬ punkt des Hofes gemacht hat, an dem sie als Gast seit einigen Monaten weilt. Er starrt sie mit brennenden — naht sich aber nicht Augen an einen Schritt! Was hätte er der Prin¬ zessin aus königlichem Hause zu bieten? Trotz seines alten Namens einer Ahnenreihe, seines Stamm¬ sitzes am sagenumsponnenen Rhein. Er, der stolze Enkel des reichsunmit¬ —der telbaren Grafengeschlechtes Königstochter, auf deren blondes Haupt sich eine Herzogskrone senken oll, wie er und jeder dem Hof Nahe¬ stehende ahnt, nein, weiß! Er, als der persönliche Adjutant ihres Vet¬ ters, kennt auch zum Überfluß die diplomatischen Pläne ganz genau, welche sich mit dieser Verbindung verknüpfen. Jetzt eben wendet sich die Prinzes¬ sin, welche ihm bisher den Rücken zu¬ gewandt, dem sie ansprechenden Gro߬ herzog von B... zu, so daß er ihr voll ins Gesicht sieht — ein strahlen¬ der Blick trifft ihn — er, halb unbe¬ wußt, verneigt sich tief und tritt zu¬ rück in die Muschelsaal=Galerie; schlendert langsam weiter, oft ange¬ sprochen und aufgehalten, gedanken¬ los antwortend. Als er das eben ge¬ öffnete Teezimmer erreicht, hält ihn Exzellenz von Dahlberg, sein alter Freund und Gönner, am obersten Rockknopf fest: „Na, mein lieber Rebenburg, schon wieder einen Exoten erhalten? Gratuliere, ja, ja, Ihnen als Prin¬ zenadjutanten und besten Freund Seiner Hoheit kann es nicht fehlen, gönne es Ihnen von Herzen! Man¬ cher andere vielleicht weniger! Haha¬ haha!! Haben Sie meine Tochter schon begrüßt? —hatte Nein! Hatte er noch nicht auch nicht die leiseste Absicht, es zu tun, sie war ihm gleichgültig, wie alles an diesem entsetzlichen Abend, an dem die fürstliche Verlobung sich wohl vollziehen würde, zu der er „ dann alleruntertänigst seine Gluck¬ wünsche würde darbringen dürfen! Es gelingt ihm natürlich, all das für sich zu behalten und mit einem höflich=kühlen: „Nein, Exzellenz, ich hatte noch nicht den Vorzug!“ an dem redseligen, kleinen, alten Herrn vorbei, zur Tür zu manövrieren. Hinaustretend, sieht er Malwine Dahlberg mit einer Teetasse in der Hand auf einem Fauteuil sitzen, schwankt, ob es nicht gar zu unge¬ zogen sei, sie nicht anzusprechen, ent¬ cheidet sich aber doch für eiligen Rückzug und Verbeugung im Vor¬ überschreiten. Langsam strebt er weiter, in seine Gedanken vertieft, welche sich mit Malwine beschäftigen, die ihm eine angenehme Bekanntschaft ist. Aber dann schweifen sie schon wieder zu ihr, zu Gabriele, wie ja leider jetzt immer, seit jener selig=unseligen Mondnacht und Schlittenfahrt, wo er die Ehre hatte, „Ihre Königliche Hoheit“ fahren zu dürfen. Er lachte bitter vor sich hin! Wie süß hatte sie geplaudert, sich ihm, dem ernsten, besonnenen Mann

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