8 „Weg, weg!“ sagte sie heftig, streifte seinen Arm ab und war in der nächsten Sekunde aus dem Saal ver¬ schwunden. Und nun kamen die beiden täglich in die Kunstgalerie, immer um die gleiche Stunde, so, als hätten sie sich verabredet. Und ihr Gespräch, das erst nur aus wenigen Sätzen bestan¬ den hatte, wurde mit jedem Tage länger, vertraulicher, inniger. Wenn sie bei ihrer Arbeit war sie war eine arme Beamtenswaise und suchte sich durch Stundengeben im Klavierspiel und Französisch fort¬ zubringen — dachte sie allen Ernstes, mit festem Vorsatze daran, ihn nicht — was sollte ihr wieder zu sehen denn der Kunstreiter? Doch wenn die Stunde naht, wo sie ihn sonst in den Kunstsälen traf, da wußte sie nichts mehr von diesem Vorsatz, sie wußte nur, daß „ihn sehen“ zu ihrem Leben gehörte. Und so vergingen zwei Wochen, in¬ nerhalb deren sie ihn täglich sah. Er kam stets mit einer stillen Sehnsucht nach ihr und er sträubte sich nicht da¬ „ er fuhlte in ihrer Nähe sein gegen — Herz so rein werden, sich von so üßen, traumhaften Sinnen befan¬ gen, daß, wenn sie von ihm ging, es ihm war, als hätte er eben Himmels¬ luft geatmet und käme nun wieder in irdische Atmosphäre. Am Ende der zweiten Woche war ein sehr regnerischer Tag und die Be¬ sucher in den Sälen waren sehr spär¬ — lich man blieb eben des schlechten Wetters halber lieber daheim. Magdalena war doch gekommen, trotzdem John Pekwill schon ihr Aus¬ — es bleiben zu fürchten begonnen waren eben schon einige Minuten über die sonstige Zeit ihres Kommens verflossen. Doch sie kam und ihn beschlich ein süßes, erhebendes Ge¬ fühl, daß sie seinetwegen nichts scheute. In einem der kleineren Säle be¬ fanden sie sich späterhin gänzlich allein. Magdalena hielt sich etwas fern von ihm und wandte zumeist ihr Haupt nach einer anderen Richtung, um nicht in seinen Blick zu treffen. Er bewunderte nicht die Gemälde rings herum, sondern bewunderte nur immer wieder die zierlichen Kon¬ turen ihres blütenweißen Halses, das blonde, rückwärts in einem Knoten aufgesteckte, vorne leicht gekräuselte Haar, dann wieder das liebliche Ge¬ icht, das sich seinen Augen hin und — und wieder eine Sekunde lang bot plötzlich war er knapp neben ihr, sein Arm schlang sich um ihren schönen, jungen Leib und sein Gesicht neigte sich nahe an das ihre. „Magda, Magda, hast du mich lieb?“ fragte er flüsternd. Ein Blick aus ihren sonnig leuch¬ tenden Augen und er küßte ihre Lip¬ Und er pen stürmisch und rasch. sein Ge¬ wollte sie wieder küssen - doch sie fühl für sie strömte über wehrte ihn jetzt ab und sagte: „Laß mich! Wenn uns jemand sieht!“ „Sehen —? So sollen sie uns E sehen! Was rummert es uns?“ ver¬ setzte er und wollte sie von neuem umfassen. Sie widerstrebte ihm. „Nein, nein! Das darf nicht sein! Man würde dar¬ über sprechen und ich könnte meine Stunden dadurch verlieren. Sie sagte es angstvoll, er aber fragte heftig: „Denkst du mehr an anderes als an mich?“ Ein vor¬ wurfsvoller, schmerzlicher Blick traf — er war wieder versöhnt. ihn „Wo, Martha, wo sollen wir uns dann sehen?“ fragte er hierauf dringlich. „Ich muß dich ungestört, allein sehen. Sie sann nach. Ihm dauerte es zu lange. Da bat er noch dringlicher als vorhin: „Martha, ich weiß, wo du wohnst, du bist ja allein in dem kleinen Gartenhäuschen — laß mich
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