2 als lebendig gewordener Töchter Chic parisien bezeichnet werden. Die „gute Bekannte“ der Marenos, die sich eben beim Teetablett das hatte Nachtmahl herausgegessen stülpte sich den stark genützten Schleier über die Tuchkappe hinauf, weil er sie durch seine feucht gewordene Stelle am Reden hinderte und sie ein paar liebevolle Zuhörer gefunden hatte, die trotz der Kälte gern einen kleinen Um¬ weg riskierten, um sich über die Ver¬ hältnisse der Marenos näher zu orien¬ tieren. „Es ist natürlich ganz ausgeschlos¬ en, daß das von seinen Bezügen ge¬ —hexen kann sie ja auch hen sollte nicht —denken Sie, zwei Kinder, Oskar geht ins Gymnasium und Ma¬ rianne noch in die Bürgerschule, soll — und extra später aufs Pädagogium noch diese Gesellschaften na, wenn im¬ auch nur Tee und Tablettes — merhin bei den heutigen Preisen: „ acherlich! „Na, sie wird schon ihre Einnahms¬ quellen haben,“ meinte eine andere und schob die Oberlippe höhnisch über die schlechtgebauten Kunstzähne hin¬ auf, „die uns nicht zu Gebote stehen.“ Der etwas angejahrte Assistent, der vorhin das Thema angeschnitten hatte, reckte sich ein wenig in seinem knappen Mantel, dem noch der Offi¬ ziersschnitt in den Nähten saß, und chielte interessiert zu den Damen hinüber. Allerdings, wenn sie „das“ meinten, solche Mittel standen ihnen — sicher eher kaum mehr zu Gebote der kleinen, hübschen Frau v. Ma¬ reno, der der Alltag noch immer nicht jenen Charme hatte rauben können, der den kultivierten Mann zum Weibe drängt. Er fühlte, daß er ein paar Worte sagen müßte für die Dame, deren Gast er soeben gewesen, und er fand nichts Besseres, als nach ihren mütterlichen Eigenschaften zu forschen. Also darüber gab's eigentlich nichts Schlimmes zu berichten. Die Kinder sahen immer gepflegt und famos aus nur eben halt auch im Außeren über dem Niveau gehalten. Frau von Mareno galt als sehr zärtliche Mama das kommt ja ausnahmsweise auch bei derart veranlagten Frauen vor. Der dicke Hauptmann Barter, der Schulden halber bloß in den Armee¬ stand getreten war und mit einer sehr angejahrten Witwe zusammen lebte, hielt bei dieser Wendung seinen Schritt an. „Aha! Fürs Kind!“ grunzte er und kniff die kleinen Auglein ein in Vorstellung aufregender Möglichkei¬ ten, für die er sich vornahm, nachstens ein paar halberfrorene Straßenrosen an Frau v. Mareno zu opfern. „Sie spricht ja manchmal selber da¬ von, daß sie auch verdient,“ sagte die Dame mit dem Kunstgebiß, „sie soll ja zeichnen für Geschafte oder der¬ gleichen „Na, das kann nicht so großartig gezahlt werden, und eine hervor¬ ragende Künstlerin wird sie auch nicht sein „O doch, warum nicht? Industrie¬ zeichner sollen phänomenal verdie¬ nen“ meinte der gewesene Oberleut¬ nant im knappen Eisenbahnmantel. —so Die Damen zogen Grimassen auf so — sie witterten immerhin oder leich¬ alle Fälle einen vergnüglicheren, elbst teren Gelderwerb, für den ihnen owohl geistige wie körperliche Eigen¬ sie schaften völlig mangelten, was gegen Frau v. Mareno nicht milder stimmte. Während dieser Debatten über ihre bescheidene und doch so umstrittene Person hantierte Frau v. Mareno im „ 9 Speisezimmer mit Hilfe des Mädchens herum, um so schnell als möglich die gewöhnliche Ordnung wieder herzu¬ tellen. Die große Hängelampe ward hoch hinaufgeschoben, damit sie alle Ecken durchleuten konnte, und die Fenster wurden weit geöffnet, um den Zigarettendampf auszulüften.
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