Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1914

Die hübsche kleine Frau v. Marenv. Von Frau MarieSiegmund (Wien). Nachdruck verboten. 1 möbeldecke, das wie ein kleiner Salon Engenehm durchwärmt und 8angeregt von der gemüt¬ ausschaute; im Vorzimmer stand ein 6 Ofen, der an Gesellschaftstagen die Plichen Unterhaltung kamen D Oberkleider behaglich durchwärmte, die paar Gäste aus der Wohnung des Offizials v. Mareno, und ein nettes Dienstmädchen öffnete und während sich die Herren die Rock¬ mit geschultem Handgriff die Flügel¬ türen. Vom Speisezimmer aus gab es kragen aufstülpten und die Damen die noch zwei Türen, davon die eine offen Hände tiefer in die bescheidenen Pelz¬ stand und in eine Art Herrenzimmer muffs steckten, war's dann stets einer mündete, ein schmaler, einfensteriger oder der andere von den jüngst gela¬ Raum mit Bücherstellagen, einem denen ledigen Herren, der meinte: Teppichdiwan und einem achteckigen „Na, der hat's doch wirklich nicht Tischchen, wo Rauchgerät zur Be¬ nötig gehabt, ins Zivil hinüberzu¬ nutzung bereit war. Die zwei Kinder gondeln — bei dem müßt's doch auch des Ehepaares kamen zur Gesellschaft so gereicht haben!“ Und da die ande¬ nur auf besonderes Verlangen herein ren auch fast nur ehemalige Kamera¬ und auch dann bloß zu einer kurzen, den des Offizials v. Mareno waren, — artigen Begrüßung. Sie hatten denen das Schicksal oder eine Herzens¬ also noch irgendwo einen Raum, wo irrung den bunten Rock abgezogen, so sie sich aufhalten konnten, denndas war schnell eine der Damen mit der Schlafzimmer, das die zweite Tür lächelnden Antwort zur Hand: „Was barg, war zur Entdeckung des Auf¬ Ihnen nicht einfällt — die und Geld! enthaltes der Kinder schon wiederholt Gar nichts hat sie gehabt auf ein von einer der Damen mit einer plau¬ paar tausend Kronen Heiratsversiche¬ siblen Ausrede inspiziert worden. Das rung haben sie gewartet, damit sie machte zusammen, gering gerechnet, ihm die knappen Kommißschulden bei zwei Zimmer, zwei Kabinette, ein der Infanterie zahlen konnte. Weiß Vorzimmer, eine Küche; in dem Vier¬ der Himmel, woher sie's nehmen!“ tel, das die Marenos bewohnten, Und damit war die Rätselfrage wieder schon ein ganz anständiger Zins, wenn aufgerollt: woher die Marenos die man auch in Abrechnung brachte, daß Mittel nehmen, in dem Stil zu leben. das Haus eines von den älteren war Das heißt natürlich nicht, daß beim und sie seit ihrer Verheiratung das Offizial Mareno etwa ein plutokrati¬ Domizil nicht geändert hatten. scher Haushalt geführt worden wäre, Dazu kam aber noch vieles andere, sondern nur in der Kontrastwirkung das ungelöst blieb, so viel man auch gegen die kleinliche Armlichkeit, in der nachrechnen und spionieren mochte. ihre wenigen intimen Bekannten exi¬ Herr v. Mareno ging immer einige stierten, lag die außergewöhnliche Er¬ Nuancen besser gekleidet als seine scheinung. Kollegen vom Bahnamt, und Frau Die Marenos hatten ein sehr hüb¬ v. Mareno konnte — besonders im sches, ein wenig künstlerisch arrangier¬ Vergleiche mit den linienlosen Gestal¬ tes Speisezimmer mit einer Polster¬ ten der kollegialen Gattinnen und 1

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