Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1913

Stadt Steurer-Dolkssagen. Seinen Landsleuten erzählt von Heinrich Kematmüller. I. Hämmern wohl schon seit weit mehr als einem Jahrtausend die mit uraltem Das Kreuz in der Nuß. Laubholz bestandenen Abhänge der Hü¬ gel durchtönte. Wohl selten gab es in Mitteleuropa Die große Felsengruppe, welche den so in jeder Beziehung traurige Zeiten, westlichen Abhang des Bergrückens in als es die Jahre 1336 bis 1350 waren. Christkindl bildet, bestand noch aus bes¬ Die Jahrbücher des Klosters Garsten ser geschlossenen, ungeheuren Steinmas¬ bei Steyr in Oberösterreich berichten, sen, von denen sich weniger Gerölle daß 1336 ungeheure Heuschrecken¬ als heute in der Tiefe befand, das schwärme die Stadt Steyr und deren Sturm, Regengüsse und Erdbeben Umgebung verheerten und erst 1339 ge¬ meist in jenen Jahren erst in der Tiefe lang es dem Zusammenwirken der Wit¬ ansammelte, nachdem der entfesselten terung und der eifrigsten Verfolgung Elemente Gewalt die für die Ewigkeit dieser gefräßigen Insekten durch Men¬ geschaffenen Felsen in Millionen Trüm¬ schen und Vögel, das Ungeziefer los zu mer geschlagen hatte. werden. Dort, wo heute die Wallfahrts¬ Mancherlei Krankheiten füllten die kirche von Christkindl ebenso romantisch Zeit von 1339—1347 aus, in welch letz¬ als lieblich und das Herz himmeler¬ terem Jahre ein so kalter Frühling war, hebend am Ende des Bergrückens auf daß Wein und Getreide verdarben. der Spitze eines Felsens thront, stand 1348 und 1349 gab es erschreckliche Erd¬ im Jahre 1339, fast im Walde be¬ beben, welche Schlösser und Ortschaften graben, ein Försterhaus und auf dem in Trümmerhaufen verwandelten und zu freistehenden Felsen, der sich über und allem Unglücke gesellte sich im Sommer zwischen den Felstrümmern, von der 1349 noch die Gottesgeißel Pest, die Kirche durch eine Schlucht getrennt, steil in ganz Europa Millionen Opfer an und fast senkrecht erhebt, befand sich im Menschen kostete, und bald standen Schatten von Fichten und Tannen eine ganze Ortschaften leer. kleine, hölzerne Hütte, in welcher der In jener Zeit befanden sich da, wo Förster einen Uhu zu Jagdzwecken hielt. heute der Wallfahrtsort Christkindl*) Die Schlucht zwischen dem Ende des resp. Unterhimmel bei Stadt Steyr sich Bergrückens und diesem Felsen war einst befinden, eine Anzahl Rohrhämmer und mit Bäumen und Schlingpflanzen be¬ Schmieden, deren lustiges Klopfen und wachsen, die es bisher unmöglich ge¬ *) Das Gründungsjahr der Kirche ist eigentlich 1706, 8. August, wo die Stelle der jetzigen Kirche von Passau macht hatten, in dieselbe einzudringen. aus genehmigt wurde. 16. April 1708 wurde die Wall¬ Das Gebiet stand unter der Auf¬ fahrtskapelle „in Forma et Figura caepto“ erbaut. 20. Sept. 1709 um ½7 Uhr früh zelebrierte Abt Anselm von sicht eines herzoglichen Försters namens Garsten die erste hl. Messe in der Wallfahrtskirche. 1725 war der Bau der Kirche vollendet. Das (aufgelöste) Vollbrecht, dem die Mißjahre und die Benediktinerstift Garsten ist in unsterblichem Ruhme Krankheiten auch gar arg mitgespielt mit Christkindl verbunden. 1787 ward Christkindl nach Auflösung des Klosters Garsten — eigene Ofarre. hatten. Seine Frau war gestorben und 1908 erfolgte das 200jährige Jubiläum des einzig schönen Wallfahrtsortes „Christkindl“. seine Tochter lag krank darnieder und

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