Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1913

94 er selbst gegen seinen Vorgänger Porfirio Diaz wachgerufen, wurde er nun nicht mehr los. Bereits gegen Ende November mußte der junggewählte Präsident von der Geheimpolizei erfahren, daß die Generale Reyes, Zapata und Gomez einen Bund geschlossen, um ihn zu stürzen. Bald gab¬ es auch schon Aufstände und andere Un¬ ruhen; anfangs Februar wurde in Juarez von den Aufrührern eine Bekanntmachung erlassen, wonach Emilio Vasco Gomez zum vorläufigen Präsidenten proklamiert wurde, weil Madero seine Versprechungen nicht eingehalten habe. Bald herrschte im ganzen Lande Aufruhr und Anarchie; Madero griff zu drakonischen Mitteln, um den Aufruhr niederzudrücken und scheute nicht davor zurück, eventuell auch den Einmarsch nordamerikanischer Bundestrup¬ pen willkommen zu heißen. Dann wurde nochmals am 4. Mai 1912 General Gomez von den Aufständischen zum provisorischen Präsidenten der Republik Mexiko prokla¬ miert. Wohl gelang es Madero, die Re¬ bellen wiederholt zu schlagen, aber trotz¬ dem war Ende Mai 1912 der Kongreß von Mexiko bereit, mit den Führern der Aufständischen wegen Absetzung Maderos zu unterhandeln. Während der Berichtsperiode wurden fol¬ gende Präsidenten amerikanischer Republiken neu gewählt: Am 14. August 1911 in Haiti Lecomte an Stelle des vor der Revolution geflüchteten früheren Präsidenten Simon. Am 6. Februar 1912 wurde, an Stelle des am 20. November 1911 ermordeten Präsidenten der dominikanischen Republik Ramon Caceres, Eladio Victoria zum konstitutionellen Präsidenten dieser Repu¬ blik gewählt. Am 1. April 1912 wurde General Leonidas Plaza an Stelle eines im Jänner 1912 einem Herz¬ chlage erlegenen Vorgängers Estrada zum Präsidenten von Ecuador er¬ wählt. Hier sei noch erwähnt, daß am 6. Juli 1911 der Präsident der Republik Paraguay, Jara, durch Verschwörer ab¬ gesetzt und gefangengenommen wurde All¬ gemeine Anarchie folgte dieser Tat. Am 8. August 1911 nahm der Senat der Vereinigten Staaten von Nordamerika einen Gesetzentwurf an, durch welchen den Territorien Neu=Mexiko und Arizona der Charakter eines Staates zuerkannt wird. Am 14. Februar 1912 unterzeichnete dann Präsident Taft den Erlaß, durch den Arizona als 48. Staat in die Union auf¬ genommen wird. * * Anfangs Februar 1912 spielte sich auf den Wellen des Niagara eine menschliche Tragödie ab, wie sie grausiger kaum ge¬ dacht werden kann. In einem Kabeltele¬ gramm aus New York brachte der „Standard“ über das Unglück folgende Einzelheiten: Etwa eine englische Meile von den Schnellen, wo der Strom in ein engeres Bett tritt, hatten sich, wie immer an strengen Wintertagen, die aus dem Nor¬ den kommenden Eismassen gestaut und durch Neueis, das über Nacht hinzuge¬ kommen war, eine natürliche Brücke zwi¬ chen dem amerikanischen und dem kanadi¬ schen Ufer des Niagara gebildet. Die Eis¬ decke war etwa 25 Meter dick, über 300 Meter breit und 500 Meter lang. Fast jeden zweiten Winter frieren die höher ge¬ legenen Teile des Stromes zu, und oft sieht man Passanten, die Eisdecke be¬ nützend, die amerikanischen Grenzen über¬ schreiten. Auch am 5. Februar unternahmen 35 Touristen dieses Wagnis, während Tausende von Zuschauern auf den beiden Brücken standen. Plötzlich erschütterte ein weithin vernehmbares Bersten und Krachen die Luft und ein tausendstimmiger Schrek¬ kensruf wurde laut: Das Eis bricht! Fast alle konnten noch rechtzeitig das rettende Ufer erreichen, nur vier Personen sahen plötzlich, als sie nur noch hundert Schritte vom Ufer entfernt waren, ihren Weg durch einen klaffenden Riß in der Eisdecke abge¬ schnitten. Die vier Gefährdeten — es waren dies ein amerikanisches Ehepaar namens Stanton, ein 17jähriger Junge aus New York und ein Kanadier — stürmten nun. dem gegenüberliegenden kanadischen Ufer zu. Auf halbem Wege sah man jedoch die Frau wanken und erschöpft zusammen¬ brechen. Der Knabe kehrte, die Gefahr ver¬ achtend, zurück, um der Frau zu helfen. Inzwischen war auch der Gatte umgekehrt,

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