Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1913

an und traf mit seinen Begleitern im März glücklich wieder bei seinem Schiffe 1909 „Nimrod“ ein. * * * Unaufhaltsam schreitet der siegreiche Kampf der Menschheit gegen die seiner Herrschaft widerstrebende Luft vor; die Entwicklung besonders der Aviatik macht immer gewaltigere Fortschritte; immer neue Systeme wurden geschaffen, immer neu gestaltete Apparate „schwerer als die Luft“ erzeugt, um diese zu bezwingen und keine Höhe, keine horizontale Entfernung scheint es mehr zu geben, die den kühnen Piloten der Luft unüberwindbar wäre und die Ikarossage will keine Sage mehr bleiben. Wien war es beschieden, im Laufe des hier ei¬ besprochenen Zeitabschnittes sich mit genen Augen von diesen Fortschritten zu überzeugen. Staunend hatte es am 23. Ok¬ tober 1909 zum ersten Male das Schau¬ spiel erlebt, eine Flugmaschine in den Lüften manövrieren zu sehen; es war, als der Franzose Blériot, der bekanntlich am 25. Juli 1909 als Erster den Armelkanal mit einem Flugapparat überquert hatte sich vor Kaiser Franz Joseph und zahl¬ losen Zuschauern aus allen Ständen auf der Simmeringer Heide mit seinem Aero¬ plan in die Lüfte schwang und da oben sicher und gewandt eine Reihe der inter¬ essantesten Evolutionen vollführte, als ob er festen Boden unter den Füßen hätte. Aber das, sowie die weiteren aviatischen Ein¬ zelleistungen, die dann Wien noch zu sehen bekam, ja selbst die späteren Flugtage am Wiener=Neustädter Flugfelde waren nichts als ein mehr oder minder bescheidenes Vor¬ spiel zu dem großen Flugmeeting, das in der Zeit vom 23. bis 30. Juni 1912 auf dem auf historischem Boden geschaffenen Flugfelde zu Aspern bei Wien abgehalten wurde. Es war dies, was internationale Beschickung, aviatische Leistungen und Zahl der Zuschauer anbelangt, das glänzendste und wichtigste Luftmeeting, das bisher tattgefunden hat. Es schuf Rekord auf Re¬ kord: einen Schnelligkeitsrekord mit zwei Passagieren durch Charles Nieuport, einen Schnelligkeitsrekord im Höhenflug, 1000 69 Meter in 4 Minuten 56 Sekunden durch Roland Garros und zwei „unglaubliche von Höhenrekorde des Oberleutnants Blaschke, welcher einen Apparat von öster¬ reichischer Konstruktion, den mit einem echszylindrigen Daimlermotor (180 Pferde¬ kräfte) versehenen Lohnerpfeilflieger lenkte. Blaschke stieg am ersten Tage mit zwei Passagieren bis zu einer Höhe von 3580 Meter auf und schlug dann am vierten Flugtage mit einem Passagier (Leutnant Banfield) den Höhen=Weltrekord, welchen der ausgezeichnete französische Pilot Garros im vorigen Jahre (4. September 1911 zu Paramé im Arrondissement Saint Malo — 3910 Meter) ohne Passagier nur mühsam geschaffen hatte, indem Blaschke sich zu einer Höhe von 4360 Meter erhob. Verblüfften auch die glänzenden Leistungen Garros', sein schneller Höhenflug, seine wahrhaftigen Akrobatenkunststücke in der Luft, seine Scheinstürze die Zuschauer, so waren doch für uns Österreicher die Taten Blaschkes das Interessanteste und Erfreu¬ lichste während der Flugwoche: die zwei sein Aufstiege Blaschkes waren — wie Nebenbuhler Garros willig bekannte gewiß als der größte Sieg der Aviatil („außerhalb Frankreichs“ schränkt der Franzose sein Lob ein) zu betrachten. Noch ein zweites bedeutsames Ereignis * in auf aviatischem Gebiete spielte sich seinen Schlußepisoden — in der Berichts¬ periode ab: der „Europäische Rundflug“ Vom Pariser „Journal“ veranstaltet, hatte dieser Rundflug am 18. Juni 1911 be¬ gonnen und an diesem Tage sogleich drei Opfer gefordert: die Konkurrenten, Leut¬ nant Princeteau und Landron, stürzten ab und erlitten einen schrecklichen Flammentod und dem Aviatiker Lemartin wurde bei seinem Absturze der Kopf zertrümmert. Am 18. Juni waren 40 Konkurrenten in Paris=Vincennes gestartet, und am 7. Juli 1911 trafen dortselbst sechs Teilnehmer ein. Diejenigen, die den ganzen Rundflug voll¬ — endeten, hatten die Strecke Paris—Lüttich Spaa—Lüttich — Utrecht — Brüssel — Rou¬ baix—Calais—London—Calais—Paris zu¬ rückgelegt, insgesamt 1683 Kilometer, und dabei zweimal den Armelkanal überflogen

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