Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1913

einer unendlich glatten Eisfläche umgeben. Dem Auge bietet sich kein Ziel. Ringsum ist Eis und Wüste. Es herrscht bei unserer Ankunft eine Totenstille. Kein Hauch be¬ wegt die Luft. Eine unheimliche Grabes¬ ruhe umgibt uns. Unsere Forschungen wurden sofort wieder ausgenommen. Am 17. Dezember errichteten wir ein kleines Haus aus Schnee und Eisblöcken, das wir „Polheim“ tauften. Die norwegische Flagge wurde gehißt. .... Am 26. De¬ zember traten wir unsere Rückreise an.“ Das sind die schlichten und doch ergreifen¬ den Worte, mit denen Amundsen die Be¬ zwingung des Südpoles ankündigte Diesem ersten Berichte über seine kühne Tat folgten bald weitere ausführlichere Berichte und sie wurden, wie bereits ge¬ sagt, von niemandem angezweifelt. Und nun zu Scotts antarktischer Ex¬ pedition. Bereits am 7. März 1912 hatte wie oben berichtet, eine vom „Daily Ex¬ preß“ lancierte Meldung behauptet, daß Amundsen selbst erklärt hätte, Kapitän Scott, der Führer der englischen Südpol¬ expedition, habe den Südpol erreicht. Diese Depesche erwies sich jedoch bald als falsch, und aus einem in den ersten Tagen des April 1912 nach London gelangten Bericht Scotts ergab sich, daß Scott vor Amundsen den Südpol nicht erreicht haben konnte. Diesen Bericht hat Kapitän Scott 150 englische Meilen vom Südpol entfernt seinem Schiffe, „Terra Nova“ übersandt, das ihn dann nach Akaroa auf Neuseeland überbrachte. Scotts Bericht enthält die fesselnde und erschütternde Erzählung schwerer Kämpfe mit der Natur und auch mit körperlichen Leiden, die der tapfere Engländer und seine Schar auf ihrem Wege zum Südpol zu bestehen hatten. Dieser Be¬ richt reicht bis zum 3. Jänner 1912 und da an diesem Tage Kapitän Scott unter 87 Grad 32 Minuten jüdlicher Breite noch den 150 englische Meilen vom Jol, Amundsen bereits am 14. bis 16. De¬ zember erreicht hatte, entferat war, so kann wohl die Priorität Amundsens bei Be¬ zwingung des Südpols mit Recht nicht mehr bezweifelt werden und ob sich Syak¬ letons Anschauung, daß Scott am 67 18. Jänner 1912 den Südpol erreicht haben dürfte, bewahrheiten wird, läßt sich jetzt, wo spätere Berichte des englischen Südpolfahrers fehlen, noch nicht feststellen. Doch sei dem wie immer, sicher ist, daß Scotts Expedition — um mit Shakleton zu sprechen — für immer zu den größten Anstrengungen der Menschheit gerechnet werden muß. Ihre Geschichte ist die ehren¬ volle Geschichte einer hartnäckigen Ent¬ schlossenheit, unaufhörlicher Mühen und eines wahrhaft wilden Kampfes gegen Mißgeschicke und Schwierigkeiten aller Arten. Zur Ergänzung des bisher Gesagten lassen wir nun einige biographische Daten über die beiden tapferen Südpolfahrer und Der Südpolentdecker Amundsen. eine kurze Skizze der bisherigen Versuche der Erreichung des Südpoles nach den Zusammenstellungen des „Neuen Wiener Tagblatt“ folgen. Roald Amundsen ist im Jahre 1872 in Borje in Norwegen geboren und unternahm schon frühzeitig Fahrten in das nördliche Eismeer, um praktische Schiffahrt für größere Expeditionen zu er¬ lernen. 1897 bis 1899 war er erster Leut¬ nant auf der „Belgica“ bei der belgischen Südpolarexpedition und bildete sich dann auf der deutschen Seewarte in Hamburg weiter aus. Im Jahre 1901 erwarb er ein kleines Segelschiff, die „Gjöa“, und nahm mit ihr die Nordwestpassage im Norden von Nordamerika. Mit sechs Be¬ gleitern segelte er dann von Christiania durch die Baffinbai, drang in die ameri¬ kanische Polarwelt vor und mußte auf 54

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