Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1913

66 nuten Länge. Diese beiden Depeschen über die Nordpolfahrt Dr. Frederik Albert Cooks (alias Koch) waren bekanntlich der Aus¬ gangspunkt einer erbitterten Fehde über die Frage, ob Dr. Cook wirklich und zuerst den Nordpol erreicht habe oder nicht, denn beide Ehren machte ihm ein Landsmann streitig: Robert Edwin Peary, der zunächst kurz die Meldung in die Welt schickte, daß er den Nordpol, und zwar am 6. April (1909) erreicht habe und dann die Behauptung Cooks hartnäckig als unwahr zu erweisen trachtete. Und, seltsam, beinahe schien es, als ob auch über die Erreichung respektive erste Erreichung des Südpoles eine ähn¬ liche Fehde entbrennen sollte, denn in einer ebenfalls vom 7. März 1912 datierten, vom „Daily Expreß“ lancierten Meldung wurde behauptet, daß Amundsen selbst er¬ klärt hatte, Kapitän Scott, der Führer der englischen Südpolexpedition, habe den Südpol erreicht. Aber es kam doch anders. Während nämlich die Fehde über die Ent¬ deckung des Nordpoles lange währte und schließlich dahin ihre Erledigung fand, daß die Cooksche Behauptung, daß er den Nordpol, und zwar noch dazu vor Peary erreicht habe, als auf Selbsttäuschung, wenn nicht auf Schlimmerem beruhend, erkannt wurde, und daß es noch so manchen gibt, der auch der Entdeckung des Nordpols durch Peary skeptisch gegenüber steht, wurde die vom „Daily Expreß“ lancierte Meldung, der man selbst in England so¬ fort mit Mißtrauen begegnete, bald als un¬ wahr erkannt, und zudem ging aus einem in den ersten Tagen des April 1912 nach London gelangten Bericht Scotts selbst hervor, daß dieser am 3. Jänner 1912 noch nicht den Südpol erreicht hatte, so daß Fachmänner, wie der bekannte Südpol¬ fahrer Shackleton, die Meinung aus¬ sprachen, daß Scott nicht vor 18. Jänner 1912 zum Südpol gelangen werde. Zudem wurden die bald auf seine Depesche folgen¬ den ausführlichen Berichte Amundsens über die Erreichung des Südpoles durch seine Expedition in ihrer Richtigkeit von niemandem bezweifelt und zu einer ernsten Fehde zwischen Amundsen und Scott, resp. deren Anhängern konnte es bisher schon deshalb nicht kommen, weil authentische Nachrichten über das endliche Schicksal der Scottschen Expedition erst für März 1913 in Aussicht stehen und zudem, wie schon bemerkt, aus dem Bericht Scotts elbst sich schon ergeben mußte, daß Scott unter allen Umständen den Südpol nicht vor Amundsen erreicht haben kann. So bleibt denn vorderhand wenigstens der Ruhm, den Südpol — und zwar als Erster — erreicht zu haben, dem Norweger unge¬ chmälert erhalten, mit dessen Expedition wir uns nun weiter befassen wollen. Schon am 9. März 1912 konnte das „Neue Wiener Tagblatt“ einen ihm auf telegra¬ phischem Wege zugekommenen ausführlichen Bericht Amundsens publizieren, wie er in dem Londoner „Daily Chronicle“, dem Pariser „Matin und den norwegischen Zeitungen „Aftenposten" und „Tidens Tegn“ enthalten war. Dieser Bericht, in welchem der kühne Forscher in eindruck¬ vollster Sprache von seiner heroischen Fahrt, die jahrhundertlangen Kämpfen der Wissenschaft die Krönung brachte, erzählt, ist ein glänzendes Dokument menschlicher Tatkraft. über die Erreichung des Südpols selbst besagt der Bericht Amundsens ..... „und endlich, am 14. Dezember 1911, war der Pol er¬ reicht. Es herrschte wundervolles Wetter Ein leichter südöstlicher Wind wehte, die Temperatur betrug — 23 Grad Celsius Wir errichteten auf dem Pol einen Mast und hißten die Nationalflagge. Dann stimmten wir ein dreifaches Hoch auf unser norwe¬ gisches Vaterland an. Wir alle waren tief bewegt. Dieser Augenblick erschien uns als der größte unseres Lebens!“ . ... „Noch am selben Tage errichteten wir einige Hütten und begannen sofort mit unseren geographischen Berechnungen. Dabei stellte ich heraus, daß wir uns erst auf der Breite von 89 Grad 55 Minuten befanden. Zur Erreichung des eigentlichen Südpols hatten wir noch eine Strecke von 9 km zu¬ rückzulegen. Am 16. Dezember langten wir am Südpol an. Der Pol befindet sich auf einem weiten, festen, glatten Plateau, das wir das „Plateau König Hakon“ nannten. Dieser südlichste Punkt der Erde ist von

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