Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1913

54 mit Vater ein Stück spazieren!“ „Und nun Herzensväterchen, sage ja!“, schmeichelte Maria am Arm des Vaters, „siehst du, ich mag den Gustav nicht heiraten und du wirst doch dein Kind nicht unglücklich machen wollen?“ Der alte Herr seufzte, es galt seinen Lieblingsplan aufgeben, er sah vor sich nieder; hätte er in diesem Augen¬ blick aufgeschaut in die großen, dunklen, tränenvollen Augen seines Kindes, er hätte wohl nimmer „Ja gesagt. „Aber Gustav weiß es, was wird er dazu agen? „Der Gustav wird herzlich froh sein, wenn ich ihm den Laufpaß gebe, meinte Maria. „Du blindes Väterchen, hast du denn nicht gemerkt daß der Gustav die Isa liebt, nicht mich?“ „Donnerwetter!“ brauste der Alte auf. „Ich mag die Isa auch, es ist ein Prachtmädel, aber mit meiner Maria kann sie sich nimmer vergleichen", setzte er in seinem Vaterstolze hinzu. „Ja, Papachen, die Geschmacke sind eben verschieden; weißt du, wenn einmal der Richtige für mich kommt, gefällt er mir auch besser, wie der Gustav“. Der Papa seufzte, aber er war überwunden, er gab nach. „So sei es denn, mein Kind, dem Gustav mußt du es aber selbst sagen; ich mische mich nicht hinein!“ „Soll ge¬ schehen, Goldväterchen. Aber gelt", und sie bog sich vor und sah den Vater bittend an. „Den Zuschuß ährlich läßt du dem Gustav?“ Denn die Isa ist arm, Väterchen. „Ja, ja!“, agte er hastig, denn die Rührung drohte ihn zu übermannen; sein Kind, seine Maria, welch ein goldenes Herz hatte sie. „Und ein bißchen mehr, Väterchen, gelt?“ schmeichelte Maria. Er nickte nur und drückte ihr die Hand. Denselben Abend noch hatte Maria eine Aussprache mit Gustav. „Du bist rei, Gustav, nicht an mich gebunden sagte sie zum Schluß zu ihm, nachdem sie ihm ihr Gespräch mit dem Vater erzählt. „Maria!“, kam es von seinen Lippen. Es klang wie ein Jubelruf und doch mischte sich ein trauriger Klang hinein. „So leichten Kaufes gibst du mich frei? Ich bin dir gar nichts?“ Seine gekränkte Eitelkeit prach aus diesen Worten. Maria, die den Kopf zur Seite gewandt, drehte ich jetzt heftig nach ihm um. „Gustav!“ agte sie leise. Er horchte auf, seine Augen weiteten sich. Die Beiden sahen ich mit einem langen, langen Blick tief in die Augen. Jedes las im Herzen des andern. Wortlos nahm er ihre Hand und führte sie ehrfurchtsvoll an eine Lippen: „Maria, edles, geliebtes Mädchen!“, sagte er bewegt. „Nun geh’, Gustav, sich're sie dir, sonst reist ie. Bring' sie als deine Braut zu uns! Isa hatte gepackt; eben setzte sie sich hin, um einige Abschiedszeilen an Maria und ihren Vater zu schreiben, als es an die Tür klopfte. Sie rief „Herein!“, wähnend, es sei die Wirtin. Da, Gott im Himmel, wachte sie oder träumte sie. Leichenblaß starrte sie nach der Tür. Da stand er, er, und jetzt breitete er die Arme aus. „Isa Isa!“ da lag sie schon an seiner Brust, von seinem treuen Arm umschlungen. ∆ ∆ „Ist es denn möglich? Ist es Wahr¬ heit?“ stammelte sie. „Ja, Geliebte, es ist Wahrheit. Du bist meine süße, kleine Braut und nun komme zu Onkel und Maria, sie warten auf uns. Den folgenden Tag wurde die Ver¬ lobung gefeiert. Das Brautpaar war glückselig; der alte Herr schmunzelte, als er die glücklichen Leutchen sah und Maria, das gute, schöne Kind mit dem goldenen Herzen, sie hatte tapfer den ersten Schmerz ihres Lebens über¬ wunden, hatte entsagt, um zwei Menschen zu ihrem Glück zu verhelfen. Sie war glücklich mit den Glücklichen! 40

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