Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1913

24 hetzen wie gegen Wolf und Bär, ohne daß ihr mir irgend was habt be¬ weisen können „Warum bist na davo und hast di nia net g’rührt und dei Unschuld bewiesen?“ antwortete ihm da der Bürgermeister. „Weil i stolzer war, alsi hätt' sein sollen — mein'm Kind zu Liab, dös iatzt auf'n Tod krank droben liegt und dös büassen muß, was sei Vater versäumt hat! I hab' mir denkt, der Fleck, den net i selber auf mei' Ehr' bring, kann a von a paar Dutzend böse Mäulernet'naufdischputiert werd'n, und nachher hab'i oan schonen wollen, der mir zwar's schwerste Load an'tan hat, was ma an Menschen toa kann, der unsern Familiennamen, der Jahr¬ hunderte lang rein und angesehen golten hat in der Gmoa, befleckt hat, natzt aber, da i mein Fehler eing'sehn hab', da i siech, daß dös arme, unschuldige Kind büassen müaßt für mei Ver¬ säumnis, jatzt verlang' i von euch alles dös ersetzt, was ihr mir mit Unrecht g’nommen habt — mei Ehr', mei Ansehen in der Gmoa! 's G'richt hat seinerzeit 's Verfahren eing'stellt, weil 's nix 'raus ’bracht hat „Aber dei Unschuld is net bewiesen 2 worden!“ warf der greise Bergwirt dazwischen. „I beantrag'“, rief der Totenhofer mit lauter Stimme, „daß ihr das Ver¬ — ich will ahren wieder aufnehmt euch heut' und in der Stund' mei Unschuld beweisen!“ „Dös glauben mir net!“ rief einer, ein rotköpfiger Prahler. „Dös giebt's net — du bist der Totenhofer und bleibst es mit allem, was drum und dran hängt — du kannst mir nir beweisen und i lass’ mir nix beweisen von dir — mach' daß d' 'nauskommst aus der Gmoa!“ Ein Teil — die jüngeren, die mit dem Haß und der Verachtung gegen den Einsiedler droben aufgewachsen waren und all das, was über ihn verbreitet war, als feststehende Tat¬ achen übernommen hatten — schloß sich dieser Erklärung mit Ausrufen wie „Recht hat er! 'naus damit!“ an. Aber der Bergwirt, ein greiser Bauer von echtem Schrot und Korn, und der Moosgrundner selber, der als Bürger¬ meister sein Amt mit Ernst und Gründ¬ lichkeit nahm, wehrten ihnen ab und flüsterten untereinander. „Guat!“ sagte dann der Moos¬ grundner. „Du hast zwar koan' An¬ pruch auf a b'sondere Rücksicht bei uns — denn was von dir kommt, is Unheil für uns und wenn dein Kind totkrank droben liegt aus deiner Schuld, mein Sohn, mein oanzig's auf der Welt, liegt da drüben halb — erstochen, unschuldig, wegen euch i glaub’ a net, daß dir der Beweis gelingt, sonst hätt'st di früher dran g'macht — aber der Gemeinderat will dein' Antrag in Erwagung ziehen geh’ a wen'g 'naus aus der Stuben wir wollen uns beraten!" Der Totenhofer nickte und verließ das Zimmer, in dem sofort ein schander¬ haftes Durcheinander von Schreien und Lärmen begann. Jetzt, da der Bann von allen Gemütern mit dem Verschwinden des Fremden, des Aus¬ gestoßenen, gewichen war, hielt sich eder für den Gescheidtesten, glaubte jeder zuerst und am lautesten reden zu müssen und eine geraume Weile war nötig, bis es dem Bürgermeister gelang, das Chaos zu bändigen und einen halbwegs geordneten Meinungs¬ austausch herbeizuführen. * Derjenige, über dessen Antrag sie drinnen berieten, war indessen in den Hof hinausgetreten und hatte mit be¬ wegten Gedanken das Haus und die Okonomiegebäude betrachtet, wo er einst die glücklichen Jahre seiner Jugend zugebracht. Eine Flut von Erinnerungen stürmte auf ihn ein, die Bilder aus der fernen, frohen Zeit stimmten ihn weich, wie er lange nicht mehr gewesen und zugänglich für das Mitgefühl mit

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