Was wollte er herunten im Dorfe, wie konnte er es überhaupt nur wagen, die Häuserreihen zu betreten der Geächtete, der Mörder? Scheu flüsterten die Weiber und die Männer schüttelten die Fäuste hinter ihm her, ja, einige holten ihre Steinflinten und Sensen und scharten sich zusammen wie zu einem Auf¬ tand, falls es etwa notwendig wäre, Hab und Leben gegen den Gefürch¬ teten, den man ungefähr mit einem Räuberhauptmann auf eine Stufe tellte, zu verteidigen. Der Totenhofer aber, unbekümmert um all das, was hinter seinem Rücken vorging, schritt geraden Weges auf den Moosgrundhof zu, den er ohne Zögern betrat. Aus einer Tür dort humpelte eben der alte Gemeindediener heraus, als der Ankömmling hineinwollte. „Halt,“ sagte der Diener, der ihn nicht kannte, „da derfst net 'nein, da is heut' Gemeinderatssitzung!“ „Zu der will i g’rad'!“ antwortete der Bauer und schob ihn beiseite. „Wer kommt da ung'meld't!“ rief der Moosgrundner, der Bürgermeister, und sprang auf. Aber im nächsten Augenblick erkannteer den Eingetretenen und murmelte starr vor Staunen: „Der Totenhofer!“ „Der Totenhofer!“ wiederholten all die anderen und sprangen von ihren Sitzen auf, zum Teil mit er¬ ichtlichem Zeichen der Furcht, zum Teil, was die alten Grauköpfe waren, mit hochmütigem Zorn, daß der da ich lebendig noch einmal ins Dorf herunter, ja, in die Gemeindestube hereinwagte. „Ja“, sagte der Angekommene und trat bis in die Mitte der Stube vor, „i bin der, dem ihr den Spitznamen der „Totenhofer“ auf'bracht habt. Der Burgermoasta, der Bergwirt und etliche andere werden sich ja no erinnern, wo i und der Moosgrundner da herin Herr g’wesen bin! Vor eurer Dummheit und eurem Hochmut 23 bin i damals ausg’wandert in die Berg' 'nauf und hab’ mir denkt, wann enk alloa lass’ untereinander und freiwillig auf die Gemeinschaft mit euch verzicht', nachher werdet ihr Gleiches mit Gleichem vergelten und a mi ungestört hausen lassen auf meinem Grund und Boden! Lange Zeit hat 's a den Anschein g’habt. Hie und da zwar is oaner von euch scheu an meinem Hab und Gut vor¬ beig'schlichen auf's G’wänd' 'nauf und hat ausg’spuckt oder si kreuzt vor mei'm Hof — aber über solche nach¬ barliche Freundlichkeiten hab' i mi wegg'setzt, so lang ihr mir oans in Ruh' g'lassen habt — mei Kind!“ „Jatzt“, fuhr der Bauer fort und in seiner Stimme begann es zu grollen wie fernher grollender Donner, „jatzt aber is a dös nimmer der Fall! Seit etliche Tag' scho war um mein' Hof rum a Wesen von da herunt oanige von euren Burschen san droben g'seh'n worden, besonders der, den g'rad bandelt 'naus g’führt haben, und gestern war auf oanmal mei Dirndl, mei oanzig's Kind, dös i net für euer ganzes Dorf und net für die ganze Welt hergib und dem i koa Haar net krümma lass’, verschwunden und wia ma's endli wieder g’funden haben, war s’ wia narrisch, ganz aus¬ einand', vollg'stopft mit Verleum¬ dungen und Lug über mi, seinem Vater entfremdet und entrissen!“ „Wißt's Bauern“, fuhr der Toten¬ hofer fort und richtete sich hoch auf, während er seinen Stutzen fest zur Erde stampfte, so daß einige der Nächststehenden erschrocken in den Hintergrund flüchteten, „mir persönli war euer G'schwatz al’weil gleich¬ gültig! Mit Ehrabschneidern fecht' i 7 net Ein Murren erhob sich. „Mit Ehrabschneidern“, wiederholte aber der Totenhofer. „Denn ihr habt's euch ohne Prüfung leicht sein lassen, mir Mord und Totschlag anzudichten und euere Kinder gegen mich aufzu¬
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