Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1913

22 zur Freiheit wieder in ihm. Wenn er nur erst droben in den Bergen wäre, dort könnten sie ihn lange suchen, ohne ihn zu finden! Und wars auch ein elendes Leben von Kräutern und Beeren, höchstens hin und wieder ein heimlich geraubtes Wildstück, die er¬ trutzte Freiheit wärs doch, in der man dem langgenährten Haß gegen das hochmütige Bauernvolk nachhängen und um den Totenhof schleichen könnte, um das Dirndl zu schauen, an dem der Bursche mit nicht auszu¬ tilgender Leidenschaft hing. So schlich er sich denn leise an die D Tur, lauschte hinaus, wo die beiden Wächter in eifrigem Gespräch über den Vorfall beisammenstanden, und brach plötzlich mit starker Faust das wankelmütige Schloß auf, um so dachte er — das Paär außen über den Haufen zu rennen und an ihnen vorüber die Freiheit zu gewinnen. Aber er hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Die beiden handfesten Bauern ließen sich nicht so leicht überrumpeln, wie er dachte. Kaum, daß er die Tür gesprengt hatte, warfen sie sich über ihn her — ein verzweifeltes Ringen begann, zuletzt aber unterlag er ihnen und sie zerrten ihn unter Drosseln und Schlägen wieder in den Kotter zurück. Dann alarmierten sie die Nachbarschaft — man schleppte alte Roßketten herbei und fesselte damit den Burschen in einer jeden weiteren Fluchtversuch verhindernden Weise. Mit funkelndem Haß lohnten seine Blicke es ihnen; aber er sah wohl ein, daß vorerst jeder weitere Wider¬ stand vergeblich war und verlegte sich darauf, sie mit Hohn und Spott zu überschütten, um seiner grenzenlosen Erbitterung wenigstens etwas Luft zu machen. Kaum daß es Tag ward, sammelten sich eine Masse Kinder und Frauen um das Gefängnis; auch einer nach dem andern von den Männern schlenderte herzu. Das seltene Schau¬ spiel, den Transport eines Gefangenen nach dem Gerichte mit anzuschauen, lockte sie herbei. Einige ganz wenig auch das Mitleid, aus dem sie ihm noch eine kleine Wegzehrung zustecken oder ein Wort des Bedauerns zurufen wollten. Als man ihn nun schwer gefesselt aus dem finsteren Kotter heraus¬ führte und die blendende Morgen¬ sonne sein Gesicht mit einem Meer von Strahlen überflutete, da ver¬ zerrten sich seine bleichen Züge zu einer gehässigen Fratze. „Lustig, lustig, Leuteln!“ rief er. „Jetzt geht 's auf d' Kirta!“ An der Wendung der Dorfgasse wäre er so fast an einen angerannt, der mit den eigenen Gedanken be¬ schäftigt dort des Weges kam. Plötzlich standen sie voreinander. „Du!“ rief der Totenhofer — denn er war der Entgegenkommende. Dann wandte er sich an die andern: „Was hat der ang'stellt, daß ihr 'n so bandelt daher bringt?“ „Oho!“ schrie Elserpeter und klirrte mit den Ketten. „Kommst du a daher, dös is wia g’rufen! Da, Manner, hängt's 'n mit an und führt's 'n glei a mit nei aufs G'richt — mir zwoa g’hören zusammen! Geh' weiter Totenhofer, wehr' die net, mir san ja do a Sippschaft! I hab' bloß di — Hälfte von deiner Arbat to dan Menschen hab’ i umbracht — du aber zwoa! Der Totenhofer trat einen Schritt zurück. Geh' mir aus dem Weg, Tropf!“ sagte er verächtlich. „Mit dir hab' i koa Gemeinschaft! Damit ging er festen Schrittes weiter und in einiger Entfernung olgte ihm gruppenweise die Schar, die erst den .Gefesselten hinaus be¬ gleitet hatte. Der Totenhofer — der richtige, echte Totenhofer das Schauspiel war noch mehr des Nach¬ schauens wert, wie die Abführung des Burschen, den jeder längst kannte.

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