Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1913

12 „Liab's Weib,“ murmelte der Toten¬ hofer, den Hut in den Händen. „Schau, i hab's guat g’moant, wia i all's auf mi g’nommen hab’ und hab’ mir denkt: I trag's und sonst tuat's neamad was. Und wann i mei Kind behüat vor jedem Hauch von da drunten, nachher geht's an ihr vorbei und sie erfahrt und woaß nix davo. Aber heut plötzlich fallt's mir schrecklich auf die Seel': Wann i nimmer bin, was bleibt nachher für sie? An Totschlägersei Sohn als Mann, weil sie an Mörder sei Tochter is.“ Er lachte bitter auf und schüttelte beide Hände gegen das Grab hin. „Na, na, es is no Zeit. I mach's no quat. Es wird a schwerer Kampf ür mi; aber i fecht'n aus für unser Kind. Pfüat Gott, liab's Weib.“ Der finstere, ernste Mann beugte ein Knie vor dem Grabhügel und ging langsam den Weg zurück. Beim Hofe dort begegnete ihm die alte Traudl. „Wo willst d’ denn no hin?“ fragte er sie. „Näher zum Marterl,“ murmelte sie. Er nickte ihr zu. „Arm's Weib,“ brummte er. Dann ging er ins Haus. Der Vorabend des Johannisfestes war gekommen. Alle Häuser im Dorf hatten sich für den nächsten Tag blank — jeputzt die Fenster glänzten; der Herd spiegelte die Hände der Bäuerin in der schimmernden Kupfereinfassung wider und der große Tisch und die Bänke in der Stube waren so rein gescheuert, daß man seine Freude daran haben konnte. Nun ruhte die Arbeit. Die Feld¬ geräte waren aufgehoben und das Vieh im Stalle versorgt. Aber nicht wie sonst saßen die Leute plaudernd vor den Häusern auf den Bänken — die meisten, insbesondere das junge Volk, schlenderte dem großen freien Platz in der Mitte des Dorfes zu, wo ein Johannisfeuer angezündet werden sollte wie oben auf den Berg¬ gipfeln — wenn auch nicht so mächtig. Da sprang dann jeder Bursche mit einem Dirndl durch die auflodernden Flammen — so wollte es die alte Sitte. Die Dämmerung senkte ihre Schatten tiefer und tiefer über die Berge herein; da und dort begann es oben an den¬ selben zu leuchten wie ein Sternlein, das vom Himmel heruntergefallen und an der Berghalde hängen geblieben war. Immer mehr und mehr wurden es der blitzenden, flackernden Augen, mit denen heute die Bergwelt in die Täler niedersah. Es waren wohl ganz gewaltige Holzmassen, welche die Bur¬ chen aus den Dörfern oben auf¬ gehäuft und in Brand gesteckt hatten — aber hier unten sah man sie nur noch als rotglühenden Punkt wieder, die einen Kreis an der Bergkette bil¬ deten. Jetzt regte sich's auch auf dem Dorf¬ platz von lodernden rauschenden Brän¬ den, mit denen die Burschen dort um das aufgehäufte Holz liefen. Rasch zündete das Feuer die dürre Masse — die Flammen krochen erst eine Weile züngelnd in dem Holzhaufen umher, während dichte Rauchwolken aufstiegen, dann plötzlich schlug die leuchtende Lohe durch und im hellen Tagesglanze stand die ganze Schaar wie geblendet um das Feuer. Bald aber kam Leben unter das junge Volk und laut auf erscholl das Jauchzen, wenn ein Paar in kühnem Sprunge über die Flammen hinweg¬ gesetzt und sich so bewährt hatte. Der bucklige Gregori ging dabei fleißig rund um, daß nichts passierte. — Er hatte Wasser herbeigeschleppt falls der Brand ein Kleidungsstück erfassen würde; jetzt raffte er dort, wo das Feuer zu hoch aufschlug, mit einem langen Stock die Scheiter aus¬ einander. „He, Toni, rief er dabei gutmütig dem seitwärts stehenden Freunde zu, „was is 's denn mit dir haft no allweil koa Dirndl g'funden zum Johannissprung?“

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